Dienstag, 29. September 2015

Die Wahrheit über Robinson Crusoe


bEr zählt zu den bekanntesten Gestalten der Romanliteratur, Generationen von Lesern wurden von ihm und seinem Schicksal gefesselt und noch heute, mehr als 300 Jahre nach erscheinen des berühmten Romans weckt sein Schicksal bei vielen Sehnsüchte, Sehnsüchte nach einem einfachen Leben im Einklang mit der Natur. Doch ist alles nur eine Legende? eine gelungene packende Geschichte erdacht vom englischen Schriftsteller Daniel Defoe zu Beginn des 18. Jahrhunderts?

 

Im Roman erleidet der Seemann Robinson Crusoe Schiffbruch und wird als einziger Überlebender an den Strand einer Insel im Atlantik gespült, die, wie sich herausstellen sollte, unbewohnt war. Schnell bringt er noch so viele Vorräte und Ausrüstungsgegenstände wie möglich vom auf das Riff vor der Insel aufgelaufenen Schiff, bevor dieses endgültig vom Meer verschlungen wird. Er erkundet die Insel, baut sich eine Unterkunft, lernt jagen und fischen und baut sogar ein Boot, mit dem er versucht die Insel zu umrunden – leider erfolglos. Nach Jahren trifft er dann auf Kannibalen und rettet eines ihrer Opfer aus deren Fängen: dieses, der Eingeborene, den Robinson Freitag tauft, wird sein bester Freund und Gefährte auf der Insel für viele Jahre. Nach 27 Jahren lässt Defoe seinen Helden von einem englischen Schiff retten und zurück in die Heimat bringen. Das ganze soll sich in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts abgespielt haben. Soweit die Geschichte, doch wie sah es mit der Wirklichkeit aus?

 

Was die wenigsten wissen ist, dass der Roman Robinson Crusoe in seinem Kern auf Tataschen beruht, auf den wirklich erlebten Abenteuern eines schottischen Seemanns, der völlig abgeschieden von jeder Zivilisation, ja von jeder Menschenseele, fünf Jahre lang auf einer einsamen Insel verbrachte. Defoes Roman beinhaltet sehr viele Details und ist so packend geschildert, dass der Leser leicht zu der Ansicht gelangen kann, hier berichte jemand über persönlich Erlebtes. Tatsächlich haben einige Berichte von Gestrandeten und Gefangenen englischen Seeleuten den Schriftsteller beim Schreiben seines Werkes beeinflusst.

 

Einige Jahre bevor Defoe seinen Bestseller schrieb trug sich im Pazifischen Ozean eine faszinierende Geschichte zu, die auch als Reisebeschreibung veröffentlich wurdn und zwar von einem englischen Kapitän, Woodes Rogers, der mit seinem Schiff Duke 1709 einen einsamen Mann europäischer Herkunft, es war der Schotte Alexander Selkirk, auf Inseln einige hundert Meilen vor der südamerikanischen Küste gefunden und zurück nach Britannien gebracht hatte. Dieser Seemann war zerlumpt und zeigte starke Spuren von Verwilderung – von der „Zivilisation“ war bei ihm nicht mehr viel festzustellen.

 

Die Geschichte Selkirks war abenteuerlich. 18jährig hatte er im Streit sein Elternhaus verlassen und war zu See gegangen. Er heuerte auf dem englischen Segler Cinque Ports an und nahm auf ihm an einer Expedition in den Pazifik teil. Matrosen waren nun recht raue Gesellen und allmählich kam es an Bord zu derart heftigen Streitereien, dass Selkirk es nicht mehr länger aushielt und darum bat auf einer Insel ausgesetzt zu werden. Diesem Wunsch wurde auch entsprochen. Mit Vorräten ausgestattet ließ man ihn auf Más a Tierre, eine der Juan-Fernandez-Inseln, vor der chilenischen Küste zurück. Das war im September 1704. Zu Selkirks eigener Überraschung gab es auf der Insel viele jagdbare Tier, auch die Gewässer waren fischreich, so dass er auch nachdem sein Pulver ausgegangen war gut überleben konnte. Im Februar 1709 erfolgte dann seine „Rettung“. Zurück in Europa fand sich Selkirk nicht mehr in der Gesellschaft zurecht, galt als schrulliger Sonderling und verbrachte einen großen Teil seiner Zeit in einer Höhle, in der er bedauerte seine Insel im Pazifik verlassen zu haben. Zu gerne wäre er zu ihr zurückgekehrt.

 

Abenteuergeschichten waren zu Defoe’s Zeiten die großen Renner in der Literatur. Großbritannien hatte mit dem legendären Sieg über die spanische Armada 1588 immer mehr die Herrschaft auf den Weltmeeren angetreten und der Traum vieler junger Männer bestand darin die Welt zu erkunden und mit unermesslichen Reichtümern in die Heimat zurückzukehren und ein „gemachter Mann“ zu sein. Kaufleute, Piraten und auch die Krone selbst nahmen diese Abenteurer gerne auf und boten ihnen Gelegenheit „Karriere“ zu machen. Dass dabei nur wenige zu Ruhm und Ehre gelangten, ist kein Wunder – doch ihre Geschichten befeuerten den „Mythos“, der immer eine treibende Kraft für menschliches Streben bietet. Menschen wollen Helden – auch heute noch - und Defoe gab ihnen einen solchen – einen mit dem man sich gut identifizieren konnte, dessen Abenteuer man selbst am liebsten erlebt hätte. In seinem Roman meistert Robinson alle Schicksalsschläge, alle Probleme werden gelöst und er besteht souverän alle Herausforderungen. Das war genau nach dem Geschmack der Zeit. Dementsprechend war auch der Erfolg.

 

 

Daniel Defoe

a            Daniel Defoe kam aus einfachen Verhältnissen, der Vater war Metzger gewesen. Allerdings verfügte er schon in jungen Jahren über großen Ehrgeiz und so versuchte er sich in allen möglichen geschäftlichen Tätigkeiten, in denen er allerdings nicht erfolgreich war. Zweimal ging er dabei Bankrott. Defoe war auch politisch aktiv und unterstütze die „Glorreiche Revolution“ von 1688 und König William III. den er gegen Angriffe seiner Landsleute, die den „Holländer“ nicht mochten, verteidigte. Nebenbei begann er zu schreiben und verfasst 1702 anonym „The Shortest Way with Dissenters“ ein ironisches Pamphlet, das ihn bald ins Gefängnis brachte. Seine schriftstellerische Aktivität litt darunter jedoch nicht und nach seiner Freilassung 1704 arbeitete er („undercover“) für die Regierung und gründete die Zeitung „The Review“. 1715 wurde er erneut aufgrund von Pamphleten, die von ihm verfasst wurden, inhaftiert. 1719 gelang ihm sein Meisterstück mit „The Life and Strange Surprizing Adventure of Robinson Crusoe“, sein berühmtestes Werk, das ihm Weltruhm und einen bleibenden Platz in der englischen und in der Weltliteratur einbrachte. In den folgenden zehn Jahren war er unglaublich produktiv, veröffentlichte Werk um Werk (meist ging es dabei um Reisen). Defoe war ein bürgerlicher Schriftsteller, der zum Sprachrohr der neuen einflussreicher werdenden Schicht wurde. Er schrieb vor allem über starke Charaktere, die das Beste aus ihrem Leben zu machen wussten, ganz egal wie unvorteilhaft die Umstände auch sein mochten. Seine Literatur entsprach genau dem neuen Gefühl und Selbstverständnis des Bürgertums und war deshalb ungeheuer erfolgreich (Defoe war bereits weit über 40 war, bis er als Schreiber erfolgreich wurde). Er starb im Jahre 1731.

 

            Legenden sind oft nicht einfach nur schöne Geschichten und basieren nicht selten auf wahren Begebenheiten – sogar öfters, als man gemeinhin glauben möchte.

 

 

Euer Sokrates

 

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