Sie gehört zu den bekanntesten Schiffen der Geschichte. Neben
Jasons „Argo“, Columbus „Santa Maria“, Francis Drakes „Golden
Hind“ und der “Titanic” gehört sie zu jenen, die im Gedächtnis der
Menschen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Dabei sind es nicht Ruhm
und Glanz, die mir ihr in Zusammenhang gebracht werden, sondern eine verwegene
Geschichte von Tyrannei, Freiheitskampf und Flucht, die durch die
Unterhaltungsindustrie nur allzu oft verklärt wurde und mit der Wirklichkeit
eher kreativ umgeht. Die Rede ist vom Segler „Bounty“.
Das Schicksal der „Bounty“ und ihrer Mannschaft
begann ganz unspektakulär im Dezember 1787 in Südengland, als das Schiff
Spithead in Richtung Süden verließ. Angeführt würde die Expedition von WilliamBligh (1754-1817), einem fähig, aber nicht sonderlich beliebten Offizier. Zu
diesem Zeitpunkt konnte noch niemand ahnen, welch verhängnisvolles Schicksal
der stolze dreimastige Segler und seine Mannschaft erleiden sollte. Es sollte
dies eine Odyssee werden, die als „Meuterei auf der Bounty“ weltweite
Bekanntheit erlangen sollte. Der Auftrag der königlich britischen Admiralität
an den Kommandanten des Schiffes, Leutnant William Bligh, lautete auf Tahiti
Brotfrucht-Stecklinge in ausreichender Menge an Bord nehmen, um diese in der
Folge in Westindien anbauen zu können. Man dachte dabei vor allem an eine
billige Nahrungsquelle für die Sklaven, die auch das British Empire überall auf
der Welt hielt. Sollte der biologische Versuch gelingen würden die Kosten der
Sklavenhaltung drastisch gesenkt werden können und damit auf der anderen Seite
die Profite beträchtlich steigern. Unmittelbarer Anlass war jedoch das
Ausbleiben der Getreidelieferung aus Nordamerika, nachdem die dreizehn
ehemaligen britischen Kolonien ihre Unabhängigkeit in einem langwierigen und
blutigen Krieg (1776-83) errungen hatte und Britannien gezwungen war nach
billigen Alternativen Ausschau zu halten. Die Expedition Blighs hatte also
durchaus eine nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Komponente, wenn auch
nichts darauf hinwies, dass sie je etwas Spektakuläres für die
Weltöffentlichkeit haben würde.
Kapitän Bligh war ein pflichtbewusster, an sich recht
nüchterner Seemann, der bereits James Cook begleitet hatte und dabei war, als
dieser 1779 auf Hawaii von Eingeborenen ermordet wurde. Seit jeher hatte er es
verstanden sich mit seinen Vorgesetzten gut zu stellen – allerdings konnte man
dies in Bezug auf seine Untergebenen nicht behaupten. Dieser Wesenszug seines
Charakters sollte ihm in der Folge immer wieder zum Verhängnis werden – nicht
nur bei der Besatzung der Bounty, sondern weit darüber hinaus.
Die Bounty umrundete die Südspitze Afrikas und näherte sich
der Südsee von Weste, also von Australien her. Am 25. Oktober 1788 ging sie in
der Matavai-Bucht auf Tahiti vor Anker. Es war dasselbe Jahr, indem auch die „La Pérouse-Expedition“ ihr unrühmliches Ende in der
Südsee fand. England und Frankreich rangen zu diesem Zeitpunkt gerade heftig um
die Vorherrschaft auf den Weltmeeren, namentlich auch auf dem größten Ozean des
Planten, auf dem sich noch unzählige unbekannte „Flecken“ befanden. Bis ins
Frühjahr hinein blieb die Bounty und ihre Besatzung auf Tahiti, da die
Vegetationszeit der Brotfrucht gerade noch ruhte und deshalb Abwarten geboten
war. Man verbrachte so fünf „lustige“ Monate in der Südsee, freunde sich mit
der lokalen Bevölkerung an und ging so manche Beziehung zu den schönen
Polynesierinnen ein – im Falle von Fletcher Christian und Peter Heywood sogar
längere.
Endlich im April 1789 erfolgt der Aufbruch von Tahiti. Das
Schiff war mit mehr als 1000 Brotfruchpflanzen überladen, entsprechend beengt
ging es auch auf der „Bounty“ zu (in einigen Filmen wird dieser Umstand
eindrücklich gezeigt). Drei Wochen später kam es zu der berühmten Meuterei
(keine Meuterei in der Seefahrtsgeschichte hat größere Berühmtheit erlangt),
nachdem Eingeborene Gegenstände des Schiffes gestohlen hatten, Kapitän Bligh
Eingeborene als Geiseln nehmen wollte, um die Gegenstände zurückzuhalten (eine
übliche Praxis damals, zu der auch James Cook des Öfteren gegriffen hatte) und
Offizier Fletcher Christian verantwortlich für die Misere gemacht hatte. Zudem
beschuldigte Bligh Christian diverser Diebstähle, die dieser begangen haben
soll. Die Atmosphäre kochte und nachdem sich Christian betrunken hatte, faselte
er von Flucht nach Tahiti auf deinem Floß und dergleichen. Jedenfalls
unterstützen ihn etliche Kameraden, die auch bereits ordentlich angetrunken
gewesen sein dürften (Trunkenheit war auf den Segelschiffen des 18.
Jahrhunderts eine normale Erscheinung, denn in Anbetracht dessen, das Wasser in
Fässern schnell fault, wurde vornehmlich Alkohol an die Mannschaft ausgegeben –
und das täglich). In der Folge kam es zur Konfrontation mit Kapitän Bligh, zu
heftigen Debatten, die darin endeten, dass Bligh gefesselt wurde, Christian das
Schiff übernahm und das „Esteblishment“ unter Bligh auf eine Barkasse gesetzt
und ihrem Schicksal überlassen wurde.
Nach herkömmlichem Gang der Dinge hätte nun Bligh und die
Leute, die zu ihm hielten verhungern und verdursten oder von den Ungestümen es
Meeres verschluckt werden müssen. Doch Bligh erweise sich in dieser Situation
als ein Führer von ungeahnter Größte. Er schaffte gegen alle Erfahrung die
unglaubliche Reise über mehr als 3000 Meilen bis nach Timor. Von dort ging es
zurück nach Großbritannien, wo in der Folge ein Prozess gegen die Meuterer
eingeleitet wurde, denen alle der Galgen drohte, sollte die Macht
Großbritanniens jemals diese dingfest machen können. Die seemännische Leistung
Kapitän Blighs allerdings gehört zu der größten, die je von einem Menschen
erbracht wurden. Mit einer kleinen Schaluppe und einer Handvoll Männer schaffte
er das Unmögliche – die Rettung und die Rückkehr ins Heimaltland.
Die Meuterer wussten zuerst nicht, was sie ohne Kapitän tun
sollten, entschieden sih jedoch bald auf Fletcher Christian zu hören und die
abgelegenen Insel Pitcairn zu erreichen. Auf den meisten Seekarten der
damaligen Zeit war die Insel nicht oder falsch engezeichente, so dass sie sich als
ideales Versteck anbot. Alle Meuterer wussten, wenn sie jemals der britischen
Justiz in die Hände fallen sollten, wäre es um sie geschehen. Auf der Insel
Pitcairn ging es jedoch Anfangs alles andere als friedlich zu. Die Sehnsucht
nach einem glücklichen uns sicheren Leben ging für die neun englischen Männer –
die Meuterer der Bounty – nicht in Erfüllung. Bald schon wurden fünf von ihnen
von den Eingeborenen, die sie begleiteten ermordet. Der Streit um die Frauen
und der Suff machten das Leben der kleinen Kolonie zunehmend zu einer Hölle auf
Erden. Endlich gelang es John Adams, dem Patriarchen der Gruppe für Frieden zu
sorgen und eine Art Gemeinwesen unter der Regide strenger Gesetze zu
etablieren. Diese strickte Rechtsordnung, die auch Schulwesen und die christliche
Religion beinhaltete bewährte sich sehr. So gibt es bis zum heutigen Tage
Nachkommen dieser Mischehen aus weißen Europäern und Tahitianerinnen, die auf
Pitcairn, am Ende der Welt, ein friedliches Dasein fristen.
Was Kapitän Blighs Schicksal anbelangte, so schien sich
sein Charakter mit zunehmendem Alter immer mehr zu verfestigen – von einer
Veränderung zum Positiven war nicht die geringste Spur zu bemerken. In der
Schlacht von Camperdown 1797 befehligte er das englische Schiff „Director“ und
in der berühmten Seeschlacht vor und um Kopenhagen 1801, in der sich der
wagemutige Horation Nelson (später Lord Nelson) so grandios auszeichnete, war
er Kommandant der „Glatton“ und wurde noch im selben Jahr Mitglied der „Royal
Society“. 1805 gab man ihm einen „ruhigeren“ Posten als Gouverneur von New
South Wales im gerade erst zur Besiedelung freigegebenen Australien. Seine
Unbarmherzigkeit uns seine Unsensibilität im Umgang mit Menschen führten auch
hier zu seiner Absetzung (er wurde von den Einwohnern 1808 sogar ein Zeitlang
gefangen gehalten und eingesperrt). Als er nach England zurückkehrte wurde er
zum Konteradmiral befördert. Bald darauf wurde er sogar zum Vize-Admiral
ernannt – ein Kommando über ein Schiff erhielt er jedoch zeitlebens nicht mehr.
Dieser William Bligh ist eine sehr bemerkenswerte Persönlichkeit, denn
einerseits ist sein seemännische und militärisches Können völlig außer Frage zu
stellen, auf der anderen Seite zeichnete er sich zeitlebens durch eine
herausragende Unfähigkeit mit Menschen umzugehen aus. Im bürokratischen Apparat
funktionierte er perfekt, doch sobald es um die Organisation und den Umgang mit
lebendigen Wesen ging, versagte er völlig.
Euer Sokrates
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