Mittwoch, 16. September 2015

Die Meuterei auf der `Bounty´


B
Sie gehört zu den bekanntesten Schiffen der Geschichte. Neben Jasons „Argo“, Columbus „Santa Maria“, Francis Drakes „Golden Hind“ und der “Titanic” gehört sie zu jenen, die im Gedächtnis der Menschen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Dabei sind es nicht Ruhm und Glanz, die mir ihr in Zusammenhang gebracht werden, sondern eine verwegene Geschichte von Tyrannei, Freiheitskampf und Flucht, die durch die Unterhaltungsindustrie nur allzu oft verklärt wurde und mit der Wirklichkeit eher kreativ umgeht. Die Rede ist vom Segler „Bounty“.

Das Schicksal der „Bounty“ und ihrer Mannschaft begann ganz unspektakulär im Dezember 1787 in Südengland, als das Schiff Spithead in Richtung Süden verließ. Angeführt würde die Expedition von WilliamBligh (1754-1817), einem fähig, aber nicht sonderlich beliebten Offizier. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand ahnen, welch verhängnisvolles Schicksal der stolze dreimastige Segler und seine Mannschaft erleiden sollte. Es sollte dies eine Odyssee werden, die als „Meuterei auf der Bounty“ weltweite Bekanntheit erlangen sollte. Der Auftrag der königlich britischen Admiralität an den Kommandanten des Schiffes, Leutnant William Bligh, lautete auf Tahiti Brotfrucht-Stecklinge in ausreichender Menge an Bord nehmen, um diese in der Folge in Westindien anbauen zu können. Man dachte dabei vor allem an eine billige Nahrungsquelle für die Sklaven, die auch das British Empire überall auf der Welt hielt. Sollte der biologische Versuch gelingen würden die Kosten der Sklavenhaltung drastisch gesenkt werden können und damit auf der anderen Seite die Profite beträchtlich steigern. Unmittelbarer Anlass war jedoch das Ausbleiben der Getreidelieferung aus Nordamerika, nachdem die dreizehn ehemaligen britischen Kolonien ihre Unabhängigkeit in einem langwierigen und blutigen Krieg (1776-83) errungen hatte und Britannien gezwungen war nach billigen Alternativen Ausschau zu halten. Die Expedition Blighs hatte also durchaus eine nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Komponente, wenn auch nichts darauf hinwies, dass sie je etwas Spektakuläres für die Weltöffentlichkeit haben würde.
Kapitän Bligh war ein pflichtbewusster, an sich recht nüchterner Seemann, der bereits James Cook begleitet hatte und dabei war, als dieser 1779 auf Hawaii von Eingeborenen ermordet wurde. Seit jeher hatte er es verstanden sich mit seinen Vorgesetzten gut zu stellen – allerdings konnte man dies in Bezug auf seine Untergebenen nicht behaupten. Dieser Wesenszug seines Charakters sollte ihm in der Folge immer wieder zum Verhängnis werden – nicht nur bei der Besatzung der Bounty, sondern weit darüber hinaus.

CDie Bounty umrundete die Südspitze Afrikas und näherte sich der Südsee von Weste, also von Australien her. Am 25. Oktober 1788 ging sie in der Matavai-Bucht auf Tahiti vor Anker. Es war dasselbe Jahr, indem auch die „La Pérouse-Expedition“ ihr unrühmliches Ende in der Südsee fand. England und Frankreich rangen zu diesem Zeitpunkt gerade heftig um die Vorherrschaft auf den Weltmeeren, namentlich auch auf dem größten Ozean des Planten, auf dem sich noch unzählige unbekannte „Flecken“ befanden. Bis ins Frühjahr hinein blieb die Bounty und ihre Besatzung auf Tahiti, da die Vegetationszeit der Brotfrucht gerade noch ruhte und deshalb Abwarten geboten war. Man verbrachte so fünf „lustige“ Monate in der Südsee, freunde sich mit der lokalen Bevölkerung an und ging so manche Beziehung zu den schönen Polynesierinnen ein – im Falle von Fletcher Christian und Peter Heywood sogar längere.

Endlich im April 1789 erfolgt der Aufbruch von Tahiti. Das Schiff war mit mehr als 1000 Brotfruchpflanzen überladen, entsprechend beengt ging es auch auf der „Bounty“ zu (in einigen Filmen wird dieser Umstand eindrücklich gezeigt). Drei Wochen später kam es zu der berühmten Meuterei (keine Meuterei in der Seefahrtsgeschichte hat größere Berühmtheit erlangt), nachdem Eingeborene Gegenstände des Schiffes gestohlen hatten, Kapitän Bligh Eingeborene als Geiseln nehmen wollte, um die Gegenstände zurückzuhalten (eine übliche Praxis damals, zu der auch James Cook des Öfteren gegriffen hatte) und Offizier Fletcher Christian verantwortlich für die Misere gemacht hatte. Zudem beschuldigte Bligh Christian diverser Diebstähle, die dieser begangen haben soll. Die Atmosphäre kochte und nachdem sich Christian betrunken hatte, faselte er von Flucht nach Tahiti auf deinem Floß und dergleichen. Jedenfalls unterstützen ihn etliche Kameraden, die auch bereits ordentlich angetrunken gewesen sein dürften (Trunkenheit war auf den Segelschiffen des 18. Jahrhunderts eine normale Erscheinung, denn in Anbetracht dessen, das Wasser in Fässern schnell fault, wurde vornehmlich Alkohol an die Mannschaft ausgegeben – und das täglich). In der Folge kam es zur Konfrontation mit Kapitän Bligh, zu heftigen Debatten, die darin endeten, dass Bligh gefesselt wurde, Christian das Schiff übernahm und das „Esteblishment“ unter Bligh auf eine Barkasse gesetzt und ihrem Schicksal überlassen wurde.

Nach herkömmlichem Gang der Dinge hätte nun Bligh und die Leute, die zu ihm hielten verhungern und verdursten oder von den Ungestümen es Meeres verschluckt werden müssen. Doch Bligh erweise sich in dieser Situation als ein Führer von ungeahnter Größte. Er schaffte gegen alle Erfahrung die unglaubliche Reise über mehr als 3000 Meilen bis nach Timor. Von dort ging es zurück nach Großbritannien, wo in der Folge ein Prozess gegen die Meuterer eingeleitet wurde, denen alle der Galgen drohte, sollte die Macht Großbritanniens jemals diese dingfest machen können. Die seemännische Leistung Kapitän Blighs allerdings gehört zu der größten, die je von einem Menschen erbracht wurden. Mit einer kleinen Schaluppe und einer Handvoll Männer schaffte er das Unmögliche – die Rettung und die Rückkehr ins Heimaltland.

Die Meuterer wussten zuerst nicht, was sie ohne Kapitän tun sollten, entschieden sih jedoch bald auf Fletcher Christian zu hören und die abgelegenen Insel Pitcairn zu erreichen. Auf den meisten Seekarten der damaligen Zeit war die Insel nicht oder falsch engezeichente, so dass sie sich als ideales Versteck anbot. Alle Meuterer wussten, wenn sie jemals der britischen Justiz in die Hände fallen sollten, wäre es um sie geschehen. Auf der Insel Pitcairn ging es jedoch Anfangs alles andere als friedlich zu. Die Sehnsucht nach einem glücklichen uns sicheren Leben ging für die neun englischen Männer – die Meuterer der Bounty – nicht in Erfüllung. Bald schon wurden fünf von ihnen von den Eingeborenen, die sie begleiteten ermordet. Der Streit um die Frauen und der Suff machten das Leben der kleinen Kolonie zunehmend zu einer Hölle auf Erden. Endlich gelang es John Adams, dem Patriarchen der Gruppe für Frieden zu sorgen und eine Art Gemeinwesen unter der Regide strenger Gesetze zu etablieren. Diese strickte Rechtsordnung, die auch Schulwesen und die christliche Religion beinhaltete bewährte sich sehr. So gibt es bis zum heutigen Tage Nachkommen dieser Mischehen aus weißen Europäern und Tahitianerinnen, die auf Pitcairn, am Ende der Welt, ein friedliches Dasein fristen.

AWas Kapitän Blighs Schicksal anbelangte, so schien sich sein Charakter mit zunehmendem Alter immer mehr zu verfestigen – von einer Veränderung zum Positiven war nicht die geringste Spur zu bemerken. In der Schlacht von Camperdown 1797 befehligte er das englische Schiff „Director“ und in der berühmten Seeschlacht vor und um Kopenhagen 1801, in der sich der wagemutige Horation Nelson (später Lord Nelson) so grandios auszeichnete, war er Kommandant der „Glatton“ und wurde noch im selben Jahr Mitglied der „Royal Society“. 1805 gab man ihm einen „ruhigeren“ Posten als Gouverneur von New South Wales im gerade erst zur Besiedelung freigegebenen Australien. Seine Unbarmherzigkeit uns seine Unsensibilität im Umgang mit Menschen führten auch hier zu seiner Absetzung (er wurde von den Einwohnern 1808 sogar ein Zeitlang gefangen gehalten und eingesperrt). Als er nach England zurückkehrte wurde er zum Konteradmiral befördert. Bald darauf wurde er sogar zum Vize-Admiral ernannt – ein Kommando über ein Schiff erhielt er jedoch zeitlebens nicht mehr. Dieser William Bligh ist eine sehr bemerkenswerte Persönlichkeit, denn einerseits ist sein seemännische und militärisches Können völlig außer Frage zu stellen, auf der anderen Seite zeichnete er sich zeitlebens durch eine herausragende Unfähigkeit mit Menschen umzugehen aus. Im bürokratischen Apparat funktionierte er perfekt, doch sobald es um die Organisation und den Umgang mit lebendigen Wesen ging, versagte er völlig.

 

 

Euer Sokrates

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