Es gab einmal eine Zeit, in der von einem Menschen, der
öffentlich auftrat, der seine Meinung vor anderen vertreten wollte, erwartet
wurde, dass er dabei gewisse gesellschaftliche Spielregeln befolgte, ohne die
einer nicht zugelassen wurde zur zivilisierten Menschheit. Ich spreche hier von
jener alten Tugend, die heute meist in Vergessenheit geraten zu sein schein:
Höflichkeit.
Was muss man sich dagegen in der heutigen Zeit ansehen? Wie
ist es denn um den Umgang vieler Zeitgenossen untereinander bestellt? Da wird
beleidigt, herabgewürdigt, geschmäht, verhöhnt und ganz allgemein seine
Respektlosigkeit in die Welt hinausgeschleudert, ohne viel nachzudenken. Fast
möchte man meinen, dass die Zahl der Zeitgenossen, die noch Menschliches in sich
tragen, sich stetig auf dem Rückzug befindet.
Angefangen hat die Unsitte der Respektlosigkeit wohl in der
Familie. Namentlich damit, dass Kinder begannen ihren Eltern keinen Respekt
mehr entgegen zu bringen. Ich spreche hier von der unsäglichen „68er-Generation“,
die die Wertlosigkeit, die Anstandslosigkeit und ganz allgemein alles, was zum
schlechten Leben führen muss, propagiert hatte. Noch weilen viele dieser
Gestalten unter uns und auch nachfolgende Generationen wurden mit diesem
verderblichen Geist, wie mit einem gesellschaftlichen Gift infiziert.
Es ist heute schwer sich vorzustellen, wie höflich die
Menschen einst miteinander umgegangen sind – schon im Bürgertum, und um wie
vieles mehr erst beim Adel früherer Zeiten! Man muss bedenken, dass Unhöflichkeit
immer etwas aussagt über denjenigen, der unhöflich ist, viel weniger jedoch über
jenen, der unhöflich behandelt wird (der Unhöfliche hingegen empfindet es genau
umgekehrt). Die Vorstellung, dass Unhöflichkeit etwas Gutes nach sich ziehen
könne, ist völlig absurd. Wahre Höflichkeit kommt immer aus dem Wesen des
Menschen und ist nicht aufgesetzt. Zu meinen in früheren Zeiten wäre die
Höflichkeit nur aufgesetzt gewesen und hätte nicht der wahren Geisteshaltung
der Menschen entsprochen, ist eine zynische, ja meist sogar nihilistische,
Sicht der Vergangenheit und entspricht nicht im Geringsten den historischen
Tatsachen.
Wir sollten uns alle bemühen der sich eingeschlichenen
Sitte der mangelnden Höflichkeit entgegenzutreten, sie anzusprechen wo sie auftritt
und ihr vorbildlich zu begegnen. Scham ist diesbezüglich ein gutes Zeichen. Ein
Mensch der Scham empfindet ob seiner Unhöflichkeit, ist noch nicht verloren –
er kann sich noch ändern und das zarte Pflänzchen des Anstandes soll von seinen
Mitmenschen im Wachstum befördert werden, wo es nur geht. Höflichkeit ist eine
ganz wichtige Zutat zu einer gelungenen Gesellschaft, einer, die die
Bezeichnung „zivilisiert“ wahrhaft verdient. Diese Komponente einer Kultur
dürfen wir nicht vernachlässigen – etwas, das in Europa allerdings schon länger
passiert. Wir brauchen wieder mehr Anständigkeit, mehr Respekt im Umgang
miteinander. Lasst uns alle daran arbeiten – für uns selbst und mehr noch für
kommende Generationen.
Robert Raven
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