Dienstag, 15. September 2015

Verschollen in der Südsee



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Nur wenige Menschen kennen die „La-Pérouse-Straße“, jene Meerenge zwischen der nördlichsten der japanischen Hauptinseln, Hokkaido, und der zu Russland gehörenden Insel Sachalin. Ebenso wenige haben je von ihrem Namensgeber, dem französischen Forscher Jean François, Comte de La Pérouse gehört. Und doch gehört er zu den bedeutenden Erforschern des Pazifischen Ozeans. Das Geheimnis seines überraschenden Endes wird bis heute von den Tiefen des Stillen Ozeans gehütet.

              Es ist der 1. August des Jahres 1785, wir befinden uns in Frankreich – genauer gesagt, in der westfranzösischen Hafenstadt Brest. Eine große jubelnde Menschenmenge steht am Kai und verabschiedet zwei Forschungsschiffe, die im Auftrag des Königs (Ludwig XVI.) ausgesandt sind, um für Frankreich neues Land, Inseln und Küsten zu entdecken und wenn möglich im Namen der Krone in Besitz zu nehmen. Darüber hinaus sollen für die Wissenschaft unschätzbare Erkenntnisse im Pazifischen Ozean gemacht werden. Abschiedsgrüße werden geäußert. Salutschüsse werden abgefeuert. Die beiden stolzen Schiffe, die „Astrolabe“ und das Flaggschiff „Boussole“ stehen unter dem Kommando des ehrgeizigen knapp 44-jährigen Kommandanten Jean François de La Pérouse. Mit ihm schickte sich Frankreich an dem Erzrivalen Großbritannien den ersten Rang in der Erforschung des Pazifiks abzulaufen (und vielleicht auch bald den Rang als Beherrscherin der Meere). Englische Kapitäne wie Wallis oder der große James Cook hatten bereits einen Großteil der unendlichen Wasserwüste des Stillen Ozeans kreuz und quer durchsegelt und unzählige Eilande, darunter Tahiti, Hawaii, Neuseeland und die Ostküste Australiens entdeckt. Zwar war seit den drei Reisen von James Cook die alte Frage nach der Existenz eines riesigen Südkontinents mit ziemlicher Sicherheit als widerlegt bewiesen wurden, doch die grenzenlosen Weiten ließen noch genügend weiße Flächen offen, so dass die Chance Land zu finden sehr groß erschien. Wie wir es der Expedition ergehen, die an jenem Augusttag so hoffnungsfroh aufbrach?

            Die sorgfältig geplante und überaus gut ausgerüstete Expedition, die insgesamt 223 Mann umfasste, segelte zuerst über Madeira und die Kanarischen Inseln der westafrikanischen Küste entlang, erreichte Südamerika und umrundete den Kontinent um das Kap Hoorn. Dann ging es der Küste entlang nach Norden bis zum Hafen La Conception, im heutigen Chile. Die Expedition segelt anschließend direkt auf den offenen Pazifik hinaus, erreicht die Osterinsel und von dort aus die, von Cook entdeckten, Hawaiiinseln. Proviant wurde an Bord genommen und weiter ging es nach Alaska. Bisher ging alles gut, doch nun ereignete sich das erste Unglück. 21 Mann fanden den Tod, als eine mächtige Welle zwei Boote zum Kentern brachte. Eisern führte La Pérouse seine Vermessungsarbeiten weiter – zuerst entlang der amerikanischen Westküste bis hinunter nach Kalifornien und später im Jahr 1787 in Ostasien (China, Ostsibirien). In diesem Jahr legte die Expedition auch im russischen Petropawlowsk auf Kamtschatka an, von wo aus ein Bote mit den Expeditionsergebnissen über Land nach Frankreich zurück geschickt wurde.

            Auf dem Weg zurück in den Südpazifik kommt es auf der Insel Tutuila in Polynesien zum einem schweren Zwischenfall: Der Kapitän der „Astrolabe“, de Langle, wird zusammen mit elf Besatzungsmitgliedern ermordet. Im Jänner 1788 erreicht La Pérouse die Botany Bay, beim heutigen Sydney. Am 7. Februar schreibt er seinen letzten Brief an die Regierung in Paris, in der er ankündigt nach Neukaledonien zu segeln und die Louisiaden zu erkunden. Die Expedition verließ Australien und wurde von diesem Zeitpunkt an nicht mehr gesehen. Was war geschehen? Welches Geheimnis verbirgt sich hinter dem Verschwinden der französischen Schiffe und ihrer Besatzungen?

            Es dauerte lange bis die ersten Spuren der Expedition auftauchten. 1789 kam und in Frankreich hatte man andere Sorgen: die Revolution mit all ihrem Blutvergießen und Köpferollen war ausgebrochen und niemand dachte mehr an die Verschollenen im Südpazifik. Erst 1791 wurde eine Suchexpedition unter dem Kommandanten d’Entrecasteaux entsannt, um nach dem Verbleib La Pérouse und seinen Männern zu forschen. Dann, im Mai 1793 traf d’Entrecasteaux bei der Insel Vanikoro, im heutigen Melanesien, ein. Rauchsäulen, die von den Bergen der Insel aufstiegen, ließen vermuten, dass es sich um Schiffbrüchige handelte, doch das schlechte Wetter und der erschöpfte Zustand der Expedition und der Mangel an Lebensmitteln, machten das Unternehmen zunichte. Man segelte weiter, gegen den Protest vieler, die sicher waren hier Reste der Mannschaft von La Pérouse gefunden zu haben. Es half alles nichts, d’Estrecastreaux blieb unnachgiebig. Wäre das die Rettung für La Pérouse Männer gewesen oder vielleicht sogar für ihn selbst?

            Viele Jahre gingen ins Land, ohne, dass irgendjemand etwas von der Expedition erfuhr. Allmählich geriet sie immer mehr in Vergessenheit. Dann aber kam das Jahr 1826. Ein neuer Mann taucht auf und bringt wieder Bewegung in die Geschichte der Forschungsreise. Der Ire Peter Dillon hatte von Peter Bussardt, einem deutschen Aussteiger, in der Südsee gehört, dass die Eingeborenen auf Vanikoro sich erzählten vor einigen Jahrzehnten hätten schiffbrüchige weiße Männer auf der Insel eine kleine Siedlung erbaut, bevor sie sich aus Holz ein kleines Schiff gebaut hätten mit dem sie einige Monate später in See gestochen wären – zurück wären sie nicht mehr gekommen. Dillon reiste nach Vanikoro und fand die Erzählung von Bussardt bei den Einheimischen bestätigt. Auch waren diese im Besitz einiger Teile, wie etwa eine Schiffsglocke, die einwandfrei der La Pérouse- Expedition zugeordnet werden konnte.

            Der französische Forscher Dumont d’Urville, der sich gerade auf dem Weg in den Pazifik befand, wurde nun beauftragt Nachforschungen nach der Expedition anzustellen. Im Jahre 1828 kam dieser in Vanikoro an. Es stellte sich heraus, dass die „Astrolabe“ 1788 vor Vanikoro auf ein Riff aufgelaufen und gesunken war. Anker und Kanonen des Schiffs konnten geborgen werden. Damit war das Schicksal der „Astrolabe“ geklärt, doch von der „Boussole“ fand sich keine Spur. Was war mit dem Schiff geschehen?

            Es dauerte sehr lange bis Licht ins Dunkel seines Schicksals gebracht werden konnte. Erst im Jahre 1964 fand man vor Vanikoro die Schiffsglocke der „Boussole“. Bald darauf gab das Meer weiter Gegenstände der Besatzung des Schiffs frei. Aufgrund von Mineralienuntersuchungen der Gegenstände ergab sich ein eindeutiges Bild der letzten Etappe der La Pérouse-Expedition. Demnach hatte La Pérouse Neukaledonien erreicht, war dann in einen Sturm geraten und dabei mit seinen Schiffen auf die Riffs vor Vanikoro gelaufen und gesunken. Doch was war mit La Pérouse geschehen? Was mit der Mannschaft? Und welches Schicksal hatten jene Männer, die sich an Land retten konnten und einige Zeit darauf wieder in See stachen? Das bleibt wahrscheinlich für immer das Geheimnis des großen Ozeans.

 

Euer Sokrates

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