Nur
wenige Menschen kennen die „La-Pérouse-Straße“, jene Meerenge zwischen der
nördlichsten der japanischen Hauptinseln, Hokkaido, und der zu Russland
gehörenden Insel Sachalin. Ebenso wenige haben je von ihrem Namensgeber, dem französischen
Forscher Jean François, Comte de La Pérouse gehört. Und doch gehört er zu den
bedeutenden Erforschern des Pazifischen Ozeans. Das Geheimnis seines
überraschenden Endes wird bis heute von den Tiefen des Stillen Ozeans gehütet.
Es ist der 1. August des Jahres 1785, wir befinden uns in Frankreich – genauer
gesagt, in der westfranzösischen Hafenstadt Brest. Eine große jubelnde
Menschenmenge steht am Kai und verabschiedet zwei Forschungsschiffe, die im
Auftrag des Königs (Ludwig XVI.) ausgesandt sind, um für Frankreich neues Land,
Inseln und Küsten zu entdecken und wenn möglich im Namen der Krone in Besitz zu
nehmen. Darüber hinaus sollen für die Wissenschaft unschätzbare Erkenntnisse im
Pazifischen Ozean gemacht werden. Abschiedsgrüße werden geäußert. Salutschüsse
werden abgefeuert. Die beiden stolzen Schiffe, die „Astrolabe“ und das
Flaggschiff „Boussole“ stehen unter dem Kommando des ehrgeizigen knapp
44-jährigen Kommandanten Jean François de La Pérouse. Mit ihm schickte sich
Frankreich an dem Erzrivalen Großbritannien den ersten Rang in der Erforschung
des Pazifiks abzulaufen (und vielleicht auch bald den Rang als Beherrscherin
der Meere). Englische Kapitäne wie Wallis oder der große James Cook hatten bereits
einen Großteil der unendlichen Wasserwüste des Stillen Ozeans kreuz und quer
durchsegelt und unzählige Eilande, darunter Tahiti, Hawaii, Neuseeland und die
Ostküste Australiens entdeckt. Zwar war seit den drei Reisen von James Cook die
alte Frage nach der Existenz eines riesigen Südkontinents mit ziemlicher
Sicherheit als widerlegt bewiesen wurden, doch die grenzenlosen Weiten ließen
noch genügend weiße Flächen offen, so dass die Chance Land zu finden sehr groß
erschien. Wie wir es der Expedition ergehen, die an jenem Augusttag so
hoffnungsfroh aufbrach?
Die sorgfältig geplante und überaus
gut ausgerüstete Expedition, die insgesamt 223 Mann umfasste, segelte zuerst
über Madeira und die Kanarischen Inseln der westafrikanischen Küste entlang,
erreichte Südamerika und umrundete den Kontinent um das Kap Hoorn. Dann ging es
der Küste entlang nach Norden bis zum Hafen La Conception, im heutigen Chile. Die
Expedition segelt anschließend direkt auf den offenen Pazifik hinaus, erreicht
die Osterinsel und von dort aus die, von Cook entdeckten, Hawaiiinseln. Proviant
wurde an Bord genommen und weiter ging es nach Alaska. Bisher ging alles gut,
doch nun ereignete sich das erste Unglück. 21 Mann fanden den Tod, als eine
mächtige Welle zwei Boote zum Kentern brachte. Eisern führte La Pérouse seine
Vermessungsarbeiten weiter – zuerst entlang der amerikanischen Westküste bis
hinunter nach Kalifornien und später im Jahr 1787 in Ostasien (China,
Ostsibirien). In diesem Jahr legte die Expedition auch im russischen
Petropawlowsk auf Kamtschatka an, von wo aus ein Bote mit den
Expeditionsergebnissen über Land nach Frankreich zurück geschickt wurde.
Auf dem Weg zurück in den Südpazifik
kommt es auf der Insel Tutuila in Polynesien zum einem schweren Zwischenfall:
Der Kapitän der „Astrolabe“, de Langle, wird zusammen mit elf
Besatzungsmitgliedern ermordet. Im Jänner 1788 erreicht La Pérouse die Botany
Bay, beim heutigen Sydney. Am 7. Februar schreibt er seinen letzten Brief an
die Regierung in Paris, in der er ankündigt nach Neukaledonien zu segeln und
die Louisiaden zu erkunden. Die Expedition verließ Australien und wurde von
diesem Zeitpunkt an nicht mehr gesehen. Was war geschehen? Welches Geheimnis
verbirgt sich hinter dem Verschwinden der französischen Schiffe und ihrer
Besatzungen?
Es dauerte lange bis die ersten
Spuren der Expedition auftauchten. 1789 kam und in Frankreich hatte man andere
Sorgen: die Revolution mit all ihrem Blutvergießen und Köpferollen war
ausgebrochen und niemand dachte mehr an die Verschollenen im Südpazifik. Erst
1791 wurde eine Suchexpedition unter dem Kommandanten d’Entrecasteaux entsannt,
um nach dem Verbleib La Pérouse und seinen Männern zu forschen. Dann, im Mai
1793 traf d’Entrecasteaux bei der Insel Vanikoro, im heutigen Melanesien, ein.
Rauchsäulen, die von den Bergen der Insel aufstiegen, ließen vermuten, dass es
sich um Schiffbrüchige handelte, doch das schlechte Wetter und der erschöpfte
Zustand der Expedition und der Mangel an Lebensmitteln, machten das Unternehmen
zunichte. Man segelte weiter, gegen den Protest vieler, die sicher waren hier Reste
der Mannschaft von La Pérouse gefunden zu haben. Es half alles nichts,
d’Estrecastreaux blieb unnachgiebig. Wäre das die Rettung für La Pérouse Männer
gewesen oder vielleicht sogar für ihn selbst?
Viele Jahre gingen ins Land, ohne,
dass irgendjemand etwas von der Expedition erfuhr. Allmählich geriet sie immer
mehr in Vergessenheit. Dann aber kam das Jahr 1826. Ein neuer Mann taucht auf
und bringt wieder Bewegung in die Geschichte der Forschungsreise. Der Ire Peter
Dillon hatte von Peter Bussardt, einem deutschen Aussteiger, in der Südsee
gehört, dass die Eingeborenen auf Vanikoro sich erzählten vor einigen
Jahrzehnten hätten schiffbrüchige weiße Männer auf der Insel eine kleine
Siedlung erbaut, bevor sie sich aus Holz ein kleines Schiff gebaut hätten mit
dem sie einige Monate später in See gestochen wären – zurück wären sie nicht
mehr gekommen. Dillon reiste nach Vanikoro und fand die Erzählung von Bussardt
bei den Einheimischen bestätigt. Auch waren diese im Besitz einiger Teile, wie
etwa eine Schiffsglocke, die einwandfrei der La Pérouse- Expedition zugeordnet
werden konnte.
Der französische Forscher Dumont
d’Urville, der sich gerade auf dem Weg in den Pazifik befand, wurde nun
beauftragt Nachforschungen nach der Expedition anzustellen. Im Jahre 1828 kam
dieser in Vanikoro an. Es stellte sich heraus, dass die „Astrolabe“ 1788
vor Vanikoro auf ein Riff aufgelaufen und gesunken war. Anker und Kanonen des
Schiffs konnten geborgen werden. Damit war das Schicksal der „Astrolabe“
geklärt, doch von der „Boussole“ fand sich keine Spur. Was war mit dem
Schiff geschehen?
Es dauerte sehr lange bis Licht ins
Dunkel seines Schicksals gebracht werden konnte. Erst im Jahre 1964 fand man
vor Vanikoro die Schiffsglocke der „Boussole“. Bald darauf gab das Meer
weiter Gegenstände der Besatzung des Schiffs frei. Aufgrund von
Mineralienuntersuchungen der Gegenstände ergab sich ein eindeutiges Bild der
letzten Etappe der La Pérouse-Expedition. Demnach hatte La Pérouse
Neukaledonien erreicht, war dann in einen Sturm geraten und dabei mit seinen
Schiffen auf die Riffs vor Vanikoro gelaufen und gesunken. Doch was war mit La
Pérouse geschehen? Was mit der Mannschaft? Und welches Schicksal hatten jene
Männer, die sich an Land retten konnten und einige Zeit darauf wieder in See
stachen? Das bleibt wahrscheinlich für immer das Geheimnis des großen Ozeans.
Euer Sokrates
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