Freitag, 20. Juni 2014

HAYEK KAPITEL 1 - THE ABANDONED ROAD

I. ABWEICHUNG UND VERDREHUNG
Gesellschaften mögen lange Zeit glauben auf dem rechten Weg zu sein, die bestehenden Prämissen werden nicht hinterfragt, ja sie sind einem in der Regel nicht einmal bewusst. Viel zu selbstverständlich erscheinen sie einem, so dass man sie mit der natürlichen Welt selbst verwechselt. Die Gesellschaft in der man selbst lebt, erscheint einem als das"Normale" und Sensibilität herrscht meist nur gegenüber den Gesellschaften, die sich stark von der eigenen unterscheiden, vor allem wenn sie deren Werten entgegen gesetzt funktioniert. Wenn dann jedoch in einer Gesellschaft etwas schief läuft, wenn Probleme auftauchen, dann ist man bereit jeden und alles zur kritisieren, außer sich selbst. Hayek war in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, als er in England lebte, sehr besorgt über die Entwicklung, die Großbritannien genommen hatte, über den falschen Weg, den es eingeschlagen hatte, weg von seinen liberalen Fundamenten, hin zu kollektivistischen Vorstellungen. Ähnliches geschah auch in den USA. Hayek meinte dass der Beginn dieser Entwicklung etwa ab 1931stattgefunden habe, zweifelsohne in der Folge der großen Depression. Er beobachtete mit großer Sorge die Entwicklung in den anglo-amerikanischen Ländern und stellte Paralellen zu Deutschland und Italien fest, die beide faschistisch geworden waren. Der Totalitarismus hatte seinen Siegeszug nach dem Ende des Ersten Weltkriegs begonnen, fegte die Weimarer Republik hinfort und erreichte seinen Höhepunkt in Hitler, Stalin und Mussolini. Hayek stellte fest, dass dieGefahr des Totalitarismus in England und den USA völlig unterschätzt wurde, dass diese Länder und Gesellschaften sich als immun gegen solche Strömungen betrachteten. Hayek als Mann "von außen" betrachtete dies anders. Er sah in der Entwicklung auf dem europäischen Kontinent viel mehr als nur die Abkehr von der Demokratie. Für ihn waren der Sozialismus/Kommunismus und der Nationalsozialismus der ganzen westlichen Zivilisation entgegen gesetzte Strömungen, die alles verrieten, wofür die europäische Tradition und Entwicklung seit vielen Jahrhunderten, ja teilweise seit der Antike, gestanden hatte. Das römisch-griechische, das christliche Erbe wurde ebenso mit Füßen getreten wie das individualistische Erbe des Erasmus, Montaigne, Ciceros und vieler anderer. Weiters stellte er fest, dass der Begriff der "Freiheit" nun völlig anders verstanden wurde, als dies ursprünglich der Fall gewesen war. Freiheit stand nun immer mehr dafür, dass eine Gruppe auf Kosten einer anderen sich bereichern durfte und nicht mehr in der Abwesenheit von Zwang, was die einzig wahre Bedeutung von Freiheit sein kann. Im 19. Jahrhundert wiesen Lord Acton und Alexis de Tocqueville darauf hin, dass Sozialismus Sklaverei bedeutet - trotzdem marschierten die Völker des Kontinents in diese Richtung und England war dabei, mit etwas Zeitverzögerung, zu folgen.

In der heutigen Zeit finden wir gerade im Bereich der Begriffe eine ähnliche "Pervertierung" vor. Unter dem Begriff der "Freiheit" wird auch heute oft in die Rechte und das Leben anderer eingegriffen, "Gerechtigkeit" steht nicht selten für Selbstbedienung an den Gütern der anderen und die gute alte "Toleranz" ist zur Lächerlichkeit verkommen. Die wahre Bedeutung von Toleranz besteht darin einen anderen in seiner Meinung und seinem Verhalten zu dulden, sowie sich für die Freiheitsrechte der anderen genauso einzusetzen, wie für die eigenen, selbst dann wenn man diese ablehnt. Der Voltaire zugeschriebene Satz "Mir gefällt nicht, was du sagst, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass du es sagen darfst", drückt diese Haltung sehr treffend aus. Wer jedoch versteht Tolernz heute noch in diesem Sinne? Allzu oft wird sie mit Ignoranz verwechselt, was nichts anders heißt, als den anderen deshalb in Ruhe zu lassen, weil einen sein Verhalten nicht kümmert. Oberflächlich mag so derjenige der meint: "es soll doch ein jeder tun, was er will", tolerant erscheinen, in Wirklichkeit ist er lediglich ignorant. Schon gar nicht hat Toleranz mit Akzeptanz zu tun. Dies ist das zweite große Missverständnis, das heute sehr häufig anzutreffen ist. Man bezeichnet oft nur denjenigen als tolerant, der einem zustimmt, wer einen ablehnt wird als "intolerant" bezeichnet. Nichts könnte ferner liegen. Unter dem Deckmantel von "Toleranz" kommt es mitunter zur Einschränkung der freien Meinungsäußerung anderen, die unliebsam über eine sprechen.



II. HISTORISCHE ENTWICKLUNG
Wenn man sich den Kern dessen ansieht, was den "Westen" im Sinn der "westlichen Kultur" ausmacht, dann kommt es nicht einmal auf den technischen Fortschritt an, die Entdeckungen, die äußeren Erscheinungen dieser Zivilisation, sondern im Zentrum steht die Freiheit des Individuums und die Einschränkung und Kontrolle der Macht. Nur die Freiheit des Individuums konnte Kräfte freisetzen, die zu Wissenschaft, Kunst, und Wohlstand führten. Einer der Feinde der westlichen Kultur, der Gründer der französischen Soziologie und des Positivismus', August Compte, meinte der Westen sei durch die Revolte des Individuums gegen die Spezies gekennzeichnet. Es waren aber genau diese libertären Kräfte, die seit der Antike auf die Befreiung des Einzelnen von der Gruppe hingewirkt hatten und einen ersten großen Höhepunkt in der Renaissance erlebten. Wie nicht anders zu erwarten gab es immer wieder starke kollektivistische Gegenbewegungen, doch sie wurden alle überwunden. Hayek sah nun im Sozialimus/Kollektivismus/Totalitarismus eine neue solche Gegenströmung, die dabei war ihre Wirkungen zu entfalten und die fortschrittliche Entwicklung der westlichen Kultur zu hemmen oder gar umzudrehen.

Das 19. Jahrhundert war noch ein Jahrhundert des Individuums gewesen. Man beugte sich eine Autorität oder lehnte sich gegen sie auf, aber man war noch kein gleichgeschalteter Massenmensch wie im 20. Jahrhundert. Das 19. Jahrhundert mit seinem Liberalismus schaffte ein Freiheitsbewusstsein bei allen Klassen. Die Renaissance hatte ein solches Bewusstsein bei den Gebildeten bewirkt, die Aufklärung beim Bürgertum und der Liberalismus auch beim Proletariat und allmählich sogar bei der Landbevölkung, bei der die Freiheitsgedanken am spätesten zu wirken begannen. Traditionell bestand die größte Freiheit immer bei den Menschen, die an der Spitze der Bevölkerungspyramide stande, was jahrhundertelang nur den hohen Adel und die hohe Geistlichkeit betraf. Doch mit der Zeit griff das Bewusstsein der Freiheit auf immer weitere Kreise der Bevölkerung durch und löste die traditionelle Ständegesellschaft auf. Gleichheit trat an die Stelle der Pyramide. Wenn alle Menschen sich ihrer Freiheit bewusst sind, ist eine ständische Gesellschaft nicht mehr aufrecht zu erhalten. Eine logische Folge davon war, dass der Mensch sich nun als Herr seines Schicksals ansah. Schon seit der Antike gab es bei einzelnen die Ansicht, dass des Menschen Charakter sein Schicksal sei. Als Massenüberzeugung setzte sich dies erst im 19./20. Jahrhundert durch. Der Grad der persönlichen Freiheit eines Menschen kann auch daran gemessen werden, wie sehr er glaubt Meister seines eigenen Schicksals zu sein (Sigmund Freud: "Charakter = Schicksal").

Die befreite moderne Gesellschaft, die im 19. Jahrhundert dabei war geboren zu werden, verdankte ihre Freiheit vor allem dem Liberalismus.  Der Liberalismus vertraut auf den Menschen, auf sein spontanes Handeln und lässt die individuellen Kräfte in vollem Umfang zu, seine Regeln sind dynamisch und vor allem richtet er sich als einzige Strömung an alle Menschen. Der Liberalismus kennt keine bevorzugten Klassen oder Gruppen von Menschen, sondern die Freiheit, in gleichem Maße, gilt für alle Menschen. Deshalb ist der Liberalimus keiner Elite vorbehalten. Die Renaissance war die "Entdeckung des Individuums", wie Jacob Burckhard feststellte, die erste Blüte des Individualismus seit der Antike. Die Aufklärung befreite den Menschen vom Aberglauben (nicht vom Glauben!), schränkte den Menschen jedoch in seiner Gesamtheit durch die Vernunftkonzentration auch wieder ein. Der Liberalismus ließ den Menschen nun wieder in seiner Gesamtheit zu und würdigte den einzelnen als einmalige, einzigartiges Phänomen.

Was die Stellung des Liberalismus angeht so zeichnet Hayek in "Der Weg zur Knechtschaft" eine wunderbare Analogie aus dem Bereich der Biologie (Hayek selbst kommt aus einer Familie mit einer langen Tradition von Biologen). Er meint die Einstellung eines Liberalen zur Gesellschaft ließe sich mit der eines Gärtners vergleichen, der sich darum bemüht die optimalen Bedingungen für das Wachstum zu schaffen. Dazu müsse er so viel als möglich über die Struktur und die Funktionsweise der Pflanzen wissen. Daraus geht hervor, dass gerde der Liberale ein profundes Wissen, nicht nur über den einzelnen, sondern über die (modere) Gesellschaft haben müsse. Der Übergang von der traditionellen zur moderenen Gesellschaft erfolgte durch eine Reihe von Revolutionen, ausgehend von England (17. Jh.) über Frankreich (18./19. Jh.), Deutschland (19. Jh.) bis Russland (20. Jh.). Daraus ergibt sich oft die Ansicht, dass eine Veränderung der Gesellschaft im Wesentlichen durch Revolutionen zu erfolgen habe. Tatsächlich aber missversteht ein Vertreter dieser Idee die völlig verschiedene Natur der modernen Gesellschaft. In der klassischen Gesellschaft war man Mitglied eines Standes. Dieser Stand bestimmte das gesamte Leben, man war eine Einheit und hatte seinen festen Platz im Gesamtgefüge. Das soziale Leben war statisch und vorhersehbar, man kannte seine Werte und Ziele (sie waren durch den Stand vorgegeben) und das eigene Schicksal war mehr oder weniger bekannt. In der modernen Gesellschaft kommt der Mensch als ganzes nicht mehr vor, er ist dort sozusagen ein Fremder als komplettes Individuum zumindest. Der einzelne nimmt an der Gesellschaft nur noch in der Form von Rollen und Funktionen teil. War vor ein paar Jahrhunderten beispielsweise ein Kaufmann noch eine Komplettbezeichnung für einen Menschen, man könnte heute etwas von einem "Lifestyle" sprechen, so ist "Kaufmann" heutzutage nur noch die Bezeichnung einer beruflichen Tätigkeit, jedoch sagt sie nichts über das Privatleben, die Vorlieben und Abneigungen aus - frührer war dies anders. Kaufmann zu sein bezog sich auf alle Aspekte des Lebens. Was nun die Gesamtgesellschaft betrifft, so ergeben sich aus all diesen Dingen schwerwiegende Folgen. Sie ist ein derart komplexes Gebilde, dass sie nicht mehr einfach steuerbar ist, dass ihre Entwicklung nur wenig vorhergesehen werden kann. Nur vernetztes Denken bringt hier noch Erfolge - mehr als je zuvor rückt die Analyse ins Zentrum der Betrachtung - das Verstehen, weniger das Handeln, sind entscheidend.

Die Vorstellung einfache direkte Maßnahmen würden gewünschte Ergebnisse zur Folge haben, kommt vom monokausalen (alten) denken, dass traditionell gut funktioniert hatte, doch heute immer mehr zu Katastrophen führt. Die Verwechslung der traditionellen mit der modernen Gesellschaft ist eine der Hauptursachen für eine ineffiziente Politik, die den Wald vor lauten Bäumen nicht mehr sieht und in der Regel sich durch Überreagieren und Aktionismus den Anschein gibt noch etwas bewirken zu können. Man reguliert immer mehr im Kleinen, weil man die großen Zusammenhänge nicht versteht und dort nichts mehr bewirken kann. Die Gefahr für die Freiheit geht heute gerade auch von der "Mikroregulierung", die nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Nicht-Verstehen entsteht, aus. Auf individueller Ebene führt das "Chaos" der modernen Gesellschaft dazu, dass Menschen immer mehr unter psychischen Problemen leiden. Moderne Leiden wie Depressionen, Burnout, Neurosen, Süchte etc. haben stark damit zu tun, dass der Mensch zwischen den verschiedenen Rollen und Erwartungen in der Gesellschaft zerrissen wird und sich selbst nicht mehr als Ganzes empfindet. Allzu leicht empfindet man die Gesellschaft als eine Art Monster, das sich den eigenen Zielen entgegenstellt. Doch eine Gesellschaft ist nicht einfach die Summe all ihrer Mitglieder, sondern ein ganz eigenes Gebilde, das von der Analyse des einzelnen Menschen her nicht verstanden werden kann. Es ist deshalb für das Individuum essentiell, dass es eine Identität jenseits der Rollen hat, dass es so etwas wie einen festen "Kern" besitzt. Dabei spielen die philosophischen Überlegungen, ob der Mensch überhaupt einen solchen Kern habe oder nicht, keine Rolle. Wenn es einen solchen Kern nicht geben sollte, so muss er eben konstruiert werden.



III. DER SÜNDENFALL (aus der Sicht Hayeks 1944)
Es ist keine Frage, dass der Liberalismus des 19. Jahrhunderts erst der Anfang eines geistigen Gebäudes war, das weitergedacht werden muss. Über die Gesellschaft und das Individuum nachzudenken darf jedoch niemals dahingehend entarten, dass man versucht eine Gesellschaft zu "designen". Dass dies einerseits nicht möglich und auf der anderen Seite zur Unmenschlichkeit führt, wurde hingehend bewiesen. Der Erfolg des Liberalismus in der Vergangenheit ist zu einer Gefahr für ihn selbst geworden. Die Menschen hielten die Errungenschaften der Freiheit für selbstversändlich und glaubten auf das geistige Fundament derselben verzichten zu können. Sie hatten immer weniger Tolernz für die Übel der Welt und wollten dass sie verschwänden. Dieses Verschwinden sollte jedoch nicht durch das freie autonom handelnde Individuum geschehen, sondern durch geplantes Handeln der politischen Entscheidungsträger. Die Bedürfnisse wurden immer größer und die Menschen sanken auf ein Stadium der Unselbständigkeit herab, indem "Vater Staat" die Verwantwortung übernahm für die Bedürfnisse zu sorgen. Solches funktioniert freilich nur, wenn man die individuellen Freiheiten einschränkt und auf die Güter anderen zugreift. In ihrer Verblendung machten die meisten jedoch bei diesem "Spiel" mit. Es war die Gier, die die Menschen zum Sozialismus, zum Kommunismus und zum Nationalsozialimus trieb - die Gier von Gefahren erlöst zu werden - die Erlösung für gleichgesetzt mit Freiheit - der Freiheit von Lasten, was natürlich auch die "Freiheit" von Verantwortung bedeutet und damit auch die Abgabe von persönlicher Macht. Bestärkt wurde die Illusion einer geplanten Gesellschaft durch die Wissenschaften. Durch die großen Erfolge der Wissenschaften, vor allem der Naturwissenschaften, entstand der fatale Glaube man könne eine Gesellschaft planen wie eine Maschine, wie die Dinge der natürlichen Welt. Gegen diesen "Szientismus" wehrte sich Hayek. Er sah ganz klar, dass es sich dabei nicht mehr um Wissenschaft handelte, sondern um Politik. Wenngleich viele Wissenschaftler glaubten es könne so zur Verwissenschaftlichung der Politik kommen, ist es in Wahrheit zur Politisierung der Wissenschaften gekommen. Das beste und schauerlichste Beispiel dafür sind die Wissenschaft unter dem NS-Regime und unter dem Sowjetkommunismus.

Hayek beschäftigte sich in seinen Buch besonders mit der Situation England bis zum Jahr 1944. Er wies darauf hin, dass über 200 Jahre lang England seine Idee in die Welt exportiert hatte, vor allem auf den europäischen Kontinent. Noch im 19. Jahrhundert wurden britische Idee in Europa mit Begeisterung aufgenommen - dies ging bis zur Nachahmung britischer Lebensart. Dieses West-Ost-Gefälle existierte jahrhundertelang und kennzeichnete den Ideenstrom in Europa. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts drehte sich der Strom jedoch um, so dass Britannien immer mehr zum Importeur von Idee des kontinentalen Europas wurde. Dies lässt sich vor allem ab 1870 erkennen, als mit dem Deutschen Reich eine neue Großmacht im Zentrum Europas entstanden war. Der wissenschaftliche und wirtschatliche Erfolg Deutschlands begeisterte viele in England und sorgte dafür dass nun immer mehr deutsche Denkweisen angenommen wurden. Der Gegensatz der beiden Kulturen zeichnete Hayek sehr deutlich. Das Prinzip Deutschland ist die Planung und die Organisation, das Prinzip Englands hingegen ist die spontane Entfaltung der individuellen Kräfte. Dieser Gegensatz wurde in England interessanterweise als solcher kaum erkannt. Auf der anderen  Seite sah es ganz anders aus. Deutschland unter Kaiser Wilhelm II., und am deutlichsten unter Hitler, war sich der "Gegenkultur" sehr bewusst. Die Nazis bezeichneten sich sogar stolz als "Anti-Renaissance".



IV. HEUTE 2014
Was nun die heutige Situation im Jahr 2014 betrifft, so erkennt man Spuren dieses Gegensatzes zwischen England und dem Kontinent noch immer. Die EU steht dem deutsch-franzöischen Modell der Planung weitaus näher, als der individuellen Entfaltung, wie sie Großbritannien zum Glück noch
immer, beziehungsweise wieder, vertritt. Viele Spannungen, wie im Augenblick um die Wahl des Kommissionspräsidenten, haben ihren Ursprung in diesen grundlegenden kulturellen Unterschieden - auch wenn die meisten Akteure sich dessen nicht bewusst sind. Das ist umso bedauerlicher, als sich die Planung als eindeutig schlechterer Weg herausgestellt hat, als die freie Entfaltung. "Planung" ist jedoch vor allem im deutschen Wesen noch immer stark verankert, egal ob in West oder Ost; es scheint geradezu eine deutsche Tugend zu sein. In Wirklichkeit ist dies eine relativ junge deutsche Entwicklung, die nebem den Sozialimus auf das ältere "Preußentum" zurückgeht. Im 18. Jahrhundert noch wären solche Ideen nicht als typisch deutsch aufgefasst worden. Es ist auch schwer vorstellbar, dass etwa ein Goethe einer geplanten Gesellschaft oder einer geplanten Wirtschaft zugestimmt hätte. Eine interessante Beobachtung kann man machen, wenn man sich seine sozialistischen Zeitgenossen noch heute ansieht. Es gibt nämlich kaum ein Sozialist, der nicht auch ein Positivist wäre. Dieser Umstand beweist jedoch keinesfalls, dass der Sozialismus Recht hat, sondern ganz im Gegenteil, dass der Rationalismus falsch ist!

Was die Zukunft des Liberalismus anbelangt, so gibt es auch im 21. Jahrhundert große Herausforderungen. Was die entwickelten Gesellschaften anbelangt. So ist freilich weiterhin auf den Schutz des einzelnen vor dem Staat und vor kollektiven Gruppen zu achten. Hinzu tritt jedoch immer mehr ein verstärkter Schutz des einzelnen vor anderen einzelnen. Dabei geht es weniger um natürliche Personen untereinander, als viel mehr dem Schutz vor privaten Organisationen. Die Freiheit des einzelnen wird im wirtschaftlichen Bereich am besten durch freie Märkte geschützt. Aber gerade diese freien Märkte sind in Gefahr, wenn Monopole entstehen. Deshalb wird ein Schwergewicht liberaler Denker in Zukunft darauf gerichtet werden müssen den fairen Wettbewerb
aufrecht zu erhalten. Dies muss mit Mittel der Freiheit geschehen, um zu verhindern, dass die Kollektivisten die Regulierung des Marktes übernehmen. Gerade in Zeiten von Krisen ist es wichtig ob der Gefahr nicht den Kopf zu verlieren und die Folgen von Maßnahmen genau zu durchdenken - vor allem die Neben- und Fernwirkungen. Es besteht die Gefahr die Freiheit um der Sicherheit Willen zu verkaufen. Terrorismus, angenommener Klamwandel, Pleiten großer Konzerne und Finanzinstitutionen, Eurokrise, Währungskrise, Schuldenkrise etc. bergen alle die Gefahr, dass individuelle Freiheit "um der guten Sache Willen" geopfert werden. Es wird an den fortschrittlichen, vernünftigen und freiheitsliebenden Kräften liegen die Freheit zu verteidigen und dem Kollektivismus keinen Zoll breit zu überlassen. Weiters wird es auch wichtig sein die Drittwirkung von Handlungen einzelner zu berücksichtigen. In diesem Rahmen wird es möglicherweise zu einer Ausweitung der "Drittwirkung der Grundrecht" kommen. Menschliche Handlungen spielen sich nicht im Vakuum ab und haben immer mehr oder weniger Auswirkungen auf andere. Durch zunehmende Vernetzung der Gesellschaft und einen größeren Komplexitätsgrad wird die Anzahl und die Auswirkungen von Handlungen auf Dritte stark steigen. Wir werden uns überlegen müssen, wie in diesem gewaltigen Spannungsfeld dem einzelnen maximale persönliche Freiheit, bei gleichzeitigem Schutz der Freiheit anderer gewährleisten können. Die Aufgaben des 21. Jahrhunderts sind komplexer als je zuvor, unsere Instinke, unsere Emotionen, können uns immer weniger weiterhelfen, wir sind gezwungen uns mehr und mehr auf unsere Vernunft (nicht bloß auf den Verstand) verlassen zu müssen. Haben wir Vertrauen in uns als Menschen diese Aufgaben bewältigen zu können! Der Liberalismus jedenfalls hat dieses Vertrauen.





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