Es
gibt Gestalten in der Geschichte, die dem Klischee, das man aufgrund ihrer
Tätigkeit annehmen möchte, so ganz und gar nicht entsprechen. Wir sehen dann,
wie sehr wir mit bestimmten Begriffen Assoziationen verbinden, die einem
Idealbild, einer künstlich geschaffenen Wirklichkeit entsprechen, aber nur
wenig mit der tatsächlichen Realität zu tun haben. Ein solcher Mann ist der
Engländer William Dampier, der ein Großteil seines Lebens auf See verbrachte
und der dabei sowohl als Freibeuter, als auch als Forscher tätig war.
Geboren
wurde William Dampier am 8. Juni 1652 in dem kleinen Ort East Coker in der
südenglischen Grafschaft Somersetshire. Er war der Sohn eines Pächters, der
schon früh den Drang zu See zu gehen in sich verspürte. Vorerst konnte er
diesem jedoch nicht nachgehen und musste die Schulbank drücken. Er erhielt eine
für seine Zeit recht gute Schulausbildung, konnte gut lesen, schreiben und
rechnen und besuchte sogar die Lateinschule. Beide Eltern sterben noch bevor
William 17 ist.
Mit
18 verlässt er seine Heimat und heuer auf einem Schiff an. Zuerst geht es nach
Frankreich, später nach Neufundland. Dort erkennt William, dass er nicht für
die kalten Meere geschaffen ist und trifft den lebenslangen Entschluss nur noch
in südlichen Gegenden zu segeln. Er nimmt am 3. Britisch-Holländischen Seekrieg
teil und wird im Anschluss daran Aufseher auf einer Plantage auf Jamaika - ein
langweiliger Bürokratenjob, für den er nicht geschaffen ist. Bald darauf sehen
wir ihn deshalb als Holzarbeiter auf Yucatan (Mexiko) wieder. Dampier merkt,
dass er nicht für das Landleben geschaffen ist und kehrt zur See zurück. Dabei
beginnt er Tagebuch zu führen und seine Beobachtungsgabe zu schulen. Bald schon
ist er ein Meister darin die Natur, Küsten, Meere und Menschen zu beschreiben.
Seinen Tagebuchaufzeichnungen sind ihm heilig, so sehr, dass er sie sogar
einige Male unter Lebensgefahr vor der Vernichtung rettete.
Schon
während seiner Holzhandelszeit in Campeche (Mexiko) und Yucatan begleitet er
mehrmals Freibeuter auf ihren Streifzügen. 1681 schließt er sich erneut Piraten
an und durchquert mit diesen den Urwald von Darien. 1678 kehrt er nach London
zurück. In England geht er auch die Ehe ein. Bald darauf jedoch bricht er zu
seiner „Weltreise“ auf, die ihn berühmt machen sollte. Diese ist jedoch nicht
eine einzige geplante Expedition, sondern setzt sich aus mehreren Etappen
zusammen, die sich über viele Jahre hinziehen. 1679 jedenfalls verlässt Dampier
England und schifft sich nach Jamaika ein – ursprünglich um dort Handel zu
treiben. Das Abenteuerfieber packte ihn, wie so oft, auch dieses Mal und so
schließt er sich erneut Bukaniern an. In der Folge verschlägt es Dampier 1682
nach Virginia, wo er kurzfristig sesshaft wird.
Als
1683 englische Piraten auf einem französischen Schiff in den Pazifik aufbrechen
wollen, schließt sich Damipier ihnen begeistert an. Die Fahrt führt über die
Kapverdischen Inseln, Westafrika, um Kap Hoorn herum zu den Juan
Fernandez-Inseln und den Galapagosinseln. An den Küsten von Süd- und
Mittelamerika kommt es zu einigen „Zwischenfällen“ mit den Spaniern, was man
sich bei Piraten ja denken kann, die es im Wesentlichen auf die reichen
spanischen Schatzschiffe abgesehen haben. Zudem waren Piratenüberfälle im Pazifik
weitaus seltener als in der Karibik und im Atlantik im Allgemeinen, deshalb von
den Spaniern weniger erwartet. Über Guam und die Philippinen geht es in den
Golf von Siam, an die Nordküste Australiens (das damals Neu-Holland hieß),
durch die Inselwelt Indonesiens und über das Kap der Guten Hoffnung zurück nach
Europa. Auf den Nikobaren war Dampier nach einem Streit ausgesetzt worden und
schaffte es durch ein navigatorisches Meisterstück Sumatra zu erreichen. 1691
kehrte er mit einem exotischen Eingeborenen, nach England zurück. Er wollte mit
dem „Exoten“ in Europa viel Geld verdienen, doch starb dieser bald, so dass
Dampiers Pläne erfolglos blieben.
Die
genaue Reisebeschreibung der Weltumseglung hat Dampier berühmt gemacht. 1697
erscheint sie in Buchform und erlangte binnen kurzer Zeit mehrere Auflagen. Im
Alter von 47 Jahren erhält Dampier sein erstes eigenes Kommando. Mit der
„Roebuck“ soll er Erkundungen in den Gewässern von Neu-Holland durchführen. Auf
dieser Fahrt bewährte sich Dampier jedoch nicht als Kommandant. Es kommt zur
Meuterei und zu einem Kriegsgerichtsverfahren, in dessen Zuge Dampier schuldig
und als unfähig erklärt wird eine Mannschaft zu führen – ihm fehlt es
entschieden an Autorität und Durchsetzungsvermögen. Trotzdem wird er schon bald
darauf vom High Admiral der englischen König mit einer neuen Mission betraut.
Mit zwei Schiffen führt er eine privat finanzierte Kaperfahrt an, die jedoch
ebenso unglücklich und ohne Erfolge endet. Von 1708-1711 schließlich unternimmt
Dampier mit Kapitän Woodes Rogers seine letzte Reise, die ihn wieder in den
Pazifik führt. Diese verläuft zwar erfolgreich, doch Dampier hat wenig davon,
denn die gemachte reiche Beute wird erst nach seinem Tod verteilt, so dass er
sich nicht mehr daran erfreuen konnte. Er stirbt im März 1715, wahrscheinlich
in London.
Was
William Dampier auszeichnet ist seine herausragende Beobachtungsgabe und seine
ungebrochene Neugier. Nicht Ruhm und Ehre, auch keine Schätze in Gold und
Silber stehen auf seiner Prioritätenlisten an erster Stelle, sondern die die Erkundung
und Erforschung von Neuem und der Anhäufung von Wissen. Damit ist er unter den
rauen Seegesellen seiner Zeit, und vor allem unter Piraten, eine große
Ausnahme. Er ist dabei erstaunlich objektiv und setzt sich selbst in seinen
Berichten nicht in den Mittelpunkt – ja er schreibt im Grunde recht wenig über
sich selbst und lässt den Lesern an seinen Beobachtungen der Welt en detail
teilhaben. Die Reisebeschreibungen gaben Anlass zu mancher Expedition in der
Zukunft; so etwa seine Beschreibung der Brotfrucht, die gegen Ende des 18.
Jahrhunderts zu der verhängnisvollen Expedition der „Bounty“ unter Kapitän
William Bligh beitragen sollte. Auch die Geschichte von „Robinson Crusoe“, geschrieben
von Daniel Defoe, wurde durch den Reisebericht der ersten Weltumseglung
Dampiers (eine Anekdote eines auf Juan-Fernandez zurückgelassenen Indianers)
stark inspiriert. Charles Darwin wurde von Dampiers Beschreibung der
Galapagosinseln auf seiner Weltumseglung zu seinen Forschungen angeregt. Zwei
Meeresstraßen bei Neuguinea sind nach Dampier benannt, ebenso ein Berg auf
Neuseeland, eine Stadt in Australien und ein Archipel. William Dampiers
Leistungen für die Menschheit liegen vor allem im geographischen und
biologischen Bereich. Von seinen Träumen reich zu werden ist nicht viel
geblieben – er starb mit hohen Schulden. Doch von den wahren Schätzen, die er
uns brachte, profitieren wir heute noch.
Euer
Sokrates
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