Montag, 5. Oktober 2015

Die aristokratische Grundhaltung


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Wenn von Aristokratie oder Adel die Rede ist, dann schwirren den meisten allerhand Assoziationen im Kopf herum. Die einen denken an romantische Verklärung, andere wiederum stellen offen ihre Ablehnung zur Schau und zeigen oft gerade durch diese Ablehnung wie sehr sie im Grunde doch bewundern, wovon sie sich so sehr distanzieren. Die meisten freilich haben eine Position, die irgendwo dazwischen liegt. Inzwischen ist der Adel nicht mehr mit Privilegien ausgestattet und teilweise ist sogar das „von“ im Namen zu führen verboten (wie etwa in Österreich). In diesem Beitrag spreche ich jedoch nicht direkt vom Adel an sich, beziehungsweise der historisch gewachsenen Gesellschaftsschicht und ihrer Geschichte, sondern über die „aristokratische Haltung“, die als geistige Grundlage wunderbar dazu geeignet ist ein realistisches und festes Fundament für den Charakter und damit auch für die Lebensführung zu bilden. Und diese Geisteshaltung steht auch nicht adelig geborenen Menschen offen.

Es gibt ein paar harte Fakten an denen wir nicht vorbei kommen. Menschen sind sehr unterschiedlich und sie alle gleich zu behandeln heißt die Realität und die Individualität zu verleugnen. Die Unterschiede der Menschen sind im Wesentlichen charakterlicher Natur und dieser wiederum ist zu einem Großteil durch die Gene bestimmt. Gesellschaftlich „konstruiert“ ist nur recht wenig – es ist lediglich die Pseudowissenschaft des Konstruktivismus’ der den meisten Menschen diesbezüglich einen Floh ins Ohr gesetzt hat und damit dazu beiträgt, dass viele die Wirklichkeit nicht sehen können, wie sie ist. Adel und damit Elite im weitesten Sinn, ist ein unabdingbarer Bestandteil jeder menschlichen Gesellschaft – niemals hat es eine Gesellschaft gegeben, in der es nicht eine „Klasse der Besten“ (Aristokratie bedeutet – aus dem Griechischen kommend – nichts anderes als die Herrschaft der Besten). Auch ist jede Bevölkerungsschicht am liebsten unter sich und meidet jene Schichten und auch Individuen, die ihren eigenen Wertvorstellungen zuwider laufen.

Das Adelsideal ist das Ideal des Besten, was ein Mensch sein kann – es ist eines das sich am Großen, am Erhabenen, Guten, Schönen und Wahren orientiert und sich nicht von den Niederungen, der Not, den Umständen des Lebens und all jenen, vom Zufall determinierten Dingen, bestimmen lässt. Das aristokratische Ideal ist die Hoffnung der Humanität – denn diese braucht Ideale und nur durch die Vorstellung von diesen und deren Verfolgung ist eine „gute Gesellschaft“ möglich. Die edel gesinnten Menschen sind die Speerspitzen dieser Bemühungen.

 

Die folgenden Punkte sind die entscheidenden, wenn es darum geht eine entsprechende Geisteshaltung in sich zu entfalten, freizusetzen, was bereits angelegt ist.

 

 

Geisteshaltung, Erziehung und Ausbildung

            Wer von aristokratischer Gesinnung ist, hat ein Selbstverständnis, das sich seiner Überlegenheit bewusst ist. Diese Überlegenheit wird jedoch nicht demonstrativ zur Schau gestellt, denn das wäre Snobismus. Snobismus leitet sich vom Lateinischen sine nobilitate ab und bedeutet gerade das Gegenteil von Nobilität, nämlich nicht von Adel zu sein. Mit Elite-Sein ist vor allem Verantwortung und Vorbildsein verbunden – dies ist jedoch für so einen Menschen keine Bürde, sondern eine Selbstverständlichkeit. Wer unter Verantwortung leidet, wem sie eine Last ist, dem gebricht es gerade an edler Gesinnung und „Hohem Mut“. Schon die alten Griechen erkannten wie wichtig es ist, dass das herausragende Individuum die Standards für die anderen festsetzt. Wer eine höhere Geisteshaltung hat, der distanziert sich vom Gewöhnlichen, und verfolgt ein höheres Ideal.

            Ein aristokratisch gesinnter Mensch ist umfassend gebildet – gemeint ist hier allerdings wahre Bildung und das umfasst nur relativ wenig dessen, was das staatliche Schulsystem vermittelt. Dieses staatliche System ist deshalb nicht genug und eine zusätzliche Bildung unumgänglich. Ein Aristokrat ist ein neuer Renaissancemensch, versteht sich auf Geschichte, Politik, Philosophie, Kultur, Literatur, spricht mehrere Sprachen (lebende und tote) und beherrscht vor allem die Fähigkeit selbständig zu denken. Damit kann er die größeren Zusammenhänge sehen, denkt in Jahrhunderten und braucht sich nur wenig um die Mainstreammeinungen (all jense, was über die Medien Otto-Normalverbraucher Tag für Tag vermittelt wird) zu kümmern. Freilich wirkt er dadurch für gewöhnliche Menschen exzentrisch und seltsam – doch das liegt nur daran, dass er mehr in der Realität lebt, als die anderen. Vor allem aber kennt sich ein Aristokrat in der eigenen Kultur sehr gut aus, erkennt die wesentlichen Aspekte, die sie ausmachen und kultiviert vor allem die feineren Dinge, die zu ihr gehören. Der Aristokrat ist die reinste Verkörperung der Kultur und steht damit in scharfem Gegensatz zur „Natur“. Allerdings erscheint dies vor allem dem gewöhnlichen Menschen so, denn, wer wirklich von Adel ist, der kann beide Aspekte miteinander zu einer höheren Ordnung vereinen (was freilich für Außenstehende nur schwer zu erkennen ist).

            Entscheidend für den aristokratischen Geist ist die Ausbildung des Charakters – diese ist sogar noch wichtiger als jene des Intellekts. Verantwortung, Pflicht, Treue und Mut sind unabdingbare Bestandteile des Charakters der Elite. Die Kontrolle der eigenen Impulse ist für die Elite weitaus bedeutender als für die „niederen“ Stände, denen man eher ein „triebhaftes“ Nachgeben zugestehen kann – in den höchsten Kreisen jedoch ist solches völlig verpönt. Wer von edler Gesinnung ist, hat auch ein arbeitsames Naturell – allerdings ohne dabei in ängstlicher Haltung zu verfallen, von der Arbeit getrieben zu sein und zum Workaholic zu werden, wie dies bei bürgerlichen Menschen oft der Fall ist. Die Vorstellung die Elite wäre faul und gäbe sich dem Müßiggang hin, ist ein Mythos, der gerne erzählt wird, um vor ihr keine Achtung haben zu müssen.

            Ein besonderer Aspekt der edlen Geisteshaltung ist die Fähigkeit für sich selbst und für andere einzustehen. Der Adel hatte traditionell die Aufgabe die Menschen zu schützen und musste deshalb gut gerüstet und trainiert sein. Zu kämpfen, ebenso wie auf die Jagd zu gehen und dabei erfolgreich zu sein, gehörte seit jeher zu den vom Adel erwarteten Fähigkeiten. Deshalb muss auch der aristokratisch Gesinnte unserer Tage sich darin üben, zumindest verbal jeden Kampf mit einem Gegner austragen zu können. Eloquenz, Schlagfertigkeit und dominantes Verhalten sind Dinge, die man lernen muss, wenn man „dazugehören“ möchte.

            Der Glaube spielt bei der edlen Gesinnung eine entscheidende Rolle. Zwar ist damit nicht unbedingt der Glaube an Gott gemeint – wenngleich dies in der Praxis, zumindest im Westen, meist der Fall ist. Das wichtigste ist es sein Leben in einen größeren Zusammenhang zu setzen, das Irdische und das rein Materiell-Gewöhnliche, in dem die meisten Menschen leben, zu transzendieren. Sein eigenes Leben etwas Höherem zu unterstellen gibt einem ein starkes Fundament und größere Gewissheit, als sein Dasein und sein Tun aus dem nur sinnlich Beobachtbaren zu unterwerfen.

            Ebenso entscheidend ist das Verständnis für Geschichte und die Erkenntnis, dass wir alle ein Glied in einer Kette sind – eines, das auf viele Vorfahren folgt. Dementsprechend groß ist deshalb auch die Achtung vor der Vergangenheit und den eigenen Eltern. Hass auf die Eltern oder auch nur deren Ablehnung, geht nie mit einer aristokratischen Grundhaltung konform. Die beliebte Praxis heutzutage den Eltern Schuldvorwürfe zu machen, wird nicht geteilt. Hier erkennt das Individuum, dass Blut dicker als Wasser ist und dass die Familie und die Bande des Blutes die stärksten im Leben überhaupt sind. Dementsprechend wird auch die Wertigkeit der Familie hervorgehoben.

 

 

            Stil und Geschmack

            Wer von feinerer Geisteshaltung, ist weiß die guten Dinge des Lebens zu schätzen. Dies umfasst alle Lebensbereiche und bezieht sich nicht nur auf die Kleidung, Speisen und Getränke, Musik, Architektur und dergleichen. Menschen mit hoher Selbstachtung sind nicht bereit Schlechtes zu akzeptieren – sei es nun ein minderwertiges Produkt oder rüdes und ungehobeltes Verhalten. Höflichkeit, die beispielsweise in der Dankbarkeit zum Ausdruck kommt, ist ein Zeichen von feiner Bildung – in diesem Fall der Bildung des Herzens – und bei weniger entwickelten Naturen nicht anzutreffen. Die Kleidung edel gesinnter Menschen, zeigt Achtung, vor sich selbst und vor anderen. Gut gekleidet zu sein ist ein Zeichen von Respekt vor anderen und deren Gruppen. Wer ungebührend gekleidet erscheint, beleidigt damit anderen Menschen und beweist damit zudem seinen mangelnden Geschmack.

 

 

            Die hier angeführten Punkte sind sehr ernst gemeint, allerdings darf eines nicht vergessen werden. Eine aristokratische Grundhaltung leitet sich aus dem ab, was ein Mensch ist, nicht aus dem, was er hat! Damit ist sie nicht an den Besitz oder ein bestimmte soziale Stellung gebunden, sie besteht in der Natur des Individuum (freilich nicht in jener der Masse) und kann deshalb auch nicht durch Umstände verloren gehen. Insofern bildet diese Haltung einen felsenfesten Grund für das Leben, denn anders als die wechselnden Umstände und Dinge des Lebens, ist sie keinen Wandlungen unterworfen. Wer sich auf diese Haltung verlässt, verlässt sich auf etwas Zeitloses und steht auf festerem Grund, als etwas das Bürgertum, das sich vor allem auf die Wirtschaftsethik mit ihrem „Haben“, „Vermehren“, „Sparsamkeit“ und “Wirtschaften“ verlässt. Einem aristokratischen Menschen ist solches zu „niedrig“, um es zur Grundlage seines Lebens zu machen.  

           

            Der tiefe innere Wunsch in einem Individuum von „Adel“ zu sein, eine adelige Gesinnung zu haben, ist ein gutes Zeichen – denn es zeigt, welches Potenzial in einem steckt. Hier besteht die Möglichkeit, dass jemand sich entwickelt und mehr aus seinem Leben macht, dass einer das Positive, das Individuelle, das Herausragende dem Sumpf der Mittelmäßigkeit und dem „Gewöhnlichen“ gegenüber zum Ausdruck bringen kann. Es sind diese Menschen, von denen die Zukunft abhängt, denn nur durch sie kommt das Gute in die Welt. Vom Pessimisten, vom Schwarzseher und Zukunftsverneiner hat die Welt nichts zu erwarten. Setzten wird deshalb auf jene, die noch über die vitalen Kräfte verfügen, deren Geist auf das Schaffende ausgerichtet ist und die über „Hohen Muot“ verfügen, wie es im mittelalterlichen Ideal des Ritters hieß. Freilich ist die „adelige Grundhaltung“ ein Ideal und wie alle Ideale programmatisch und nicht deskriptiv zu verstehen. Doch je näher wir dem Ideal kommen, desto vollkommener sind auch wir selbst, desto besser können wir die Welt mitgestalten und zum Guten beitragen. Das ist unsere Verantwortung – die Verantwortung mehr zu sein als wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind.

 

 

Euer Sokrates

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