Wenn von Aristokratie oder Adel die Rede ist, dann
schwirren den meisten allerhand Assoziationen im Kopf herum. Die einen denken
an romantische Verklärung, andere wiederum stellen offen ihre Ablehnung zur
Schau und zeigen oft gerade durch diese Ablehnung wie sehr sie im Grunde doch
bewundern, wovon sie sich so sehr distanzieren. Die meisten freilich haben eine
Position, die irgendwo dazwischen liegt. Inzwischen ist der Adel nicht mehr mit
Privilegien ausgestattet und teilweise ist sogar das „von“ im Namen zu führen
verboten (wie etwa in Österreich). In diesem Beitrag spreche ich jedoch nicht
direkt vom Adel an sich, beziehungsweise der historisch gewachsenen
Gesellschaftsschicht und ihrer Geschichte, sondern über die „aristokratische
Haltung“, die als geistige Grundlage wunderbar dazu geeignet ist ein
realistisches und festes Fundament für den Charakter und damit auch für die
Lebensführung zu bilden. Und diese Geisteshaltung steht auch nicht adelig
geborenen Menschen offen.
Es gibt ein paar harte Fakten an denen wir nicht vorbei
kommen. Menschen sind sehr unterschiedlich und sie alle gleich zu behandeln
heißt die Realität und die Individualität zu verleugnen. Die Unterschiede der
Menschen sind im Wesentlichen charakterlicher Natur und dieser wiederum ist zu
einem Großteil durch die Gene bestimmt. Gesellschaftlich „konstruiert“ ist nur
recht wenig – es ist lediglich die Pseudowissenschaft des Konstruktivismus’ der
den meisten Menschen diesbezüglich einen Floh ins Ohr gesetzt hat und damit
dazu beiträgt, dass viele die Wirklichkeit nicht sehen können, wie sie ist. Adel
und damit Elite im weitesten Sinn, ist ein unabdingbarer Bestandteil jeder
menschlichen Gesellschaft – niemals hat es eine Gesellschaft gegeben, in der es
nicht eine „Klasse der Besten“ (Aristokratie bedeutet – aus dem Griechischen
kommend – nichts anderes als die Herrschaft der Besten). Auch ist jede
Bevölkerungsschicht am liebsten unter sich und meidet jene Schichten und auch
Individuen, die ihren eigenen Wertvorstellungen zuwider laufen.
Das Adelsideal ist das Ideal des Besten, was ein Mensch
sein kann – es ist eines das sich am Großen, am Erhabenen, Guten, Schönen und
Wahren orientiert und sich nicht von den Niederungen, der Not, den Umständen
des Lebens und all jenen, vom Zufall determinierten Dingen, bestimmen lässt.
Das aristokratische Ideal ist die Hoffnung der Humanität – denn diese braucht
Ideale und nur durch die Vorstellung von diesen und deren Verfolgung ist eine
„gute Gesellschaft“ möglich. Die edel gesinnten Menschen sind die Speerspitzen
dieser Bemühungen.
Die folgenden Punkte sind die entscheidenden, wenn es darum
geht eine entsprechende Geisteshaltung in sich zu entfalten, freizusetzen, was
bereits angelegt ist.
Geisteshaltung, Erziehung und Ausbildung
Wer von aristokratischer Gesinnung
ist, hat ein Selbstverständnis, das sich seiner Überlegenheit bewusst ist.
Diese Überlegenheit wird jedoch nicht demonstrativ zur Schau gestellt, denn das
wäre Snobismus. Snobismus leitet sich vom Lateinischen sine nobilitate
ab und bedeutet gerade das Gegenteil von Nobilität, nämlich nicht von Adel zu
sein. Mit Elite-Sein ist vor allem Verantwortung und Vorbildsein verbunden –
dies ist jedoch für so einen Menschen keine Bürde, sondern eine
Selbstverständlichkeit. Wer unter Verantwortung leidet, wem sie eine Last ist,
dem gebricht es gerade an edler Gesinnung und „Hohem Mut“. Schon die alten
Griechen erkannten wie wichtig es ist, dass das herausragende Individuum die
Standards für die anderen festsetzt. Wer eine höhere Geisteshaltung hat, der
distanziert sich vom Gewöhnlichen, und verfolgt ein höheres Ideal.
Ein aristokratisch gesinnter Mensch
ist umfassend gebildet – gemeint ist hier allerdings wahre Bildung und das
umfasst nur relativ wenig dessen, was das staatliche Schulsystem vermittelt.
Dieses staatliche System ist deshalb nicht genug und eine zusätzliche Bildung
unumgänglich. Ein Aristokrat ist ein neuer Renaissancemensch, versteht sich auf
Geschichte, Politik, Philosophie, Kultur, Literatur, spricht mehrere Sprachen
(lebende und tote) und beherrscht vor allem die Fähigkeit selbständig zu
denken. Damit kann er die größeren Zusammenhänge sehen, denkt in Jahrhunderten
und braucht sich nur wenig um die Mainstreammeinungen (all jense, was über die
Medien Otto-Normalverbraucher Tag für Tag vermittelt wird) zu kümmern. Freilich
wirkt er dadurch für gewöhnliche Menschen exzentrisch und seltsam – doch das
liegt nur daran, dass er mehr in der Realität lebt, als die anderen. Vor allem
aber kennt sich ein Aristokrat in der eigenen Kultur sehr gut aus, erkennt die
wesentlichen Aspekte, die sie ausmachen und kultiviert vor allem die feineren
Dinge, die zu ihr gehören. Der Aristokrat ist die reinste Verkörperung der
Kultur und steht damit in scharfem Gegensatz zur „Natur“. Allerdings erscheint
dies vor allem dem gewöhnlichen Menschen so, denn, wer wirklich von Adel ist,
der kann beide Aspekte miteinander zu einer höheren Ordnung vereinen (was
freilich für Außenstehende nur schwer zu erkennen ist).
Entscheidend für den aristokratischen
Geist ist die Ausbildung des Charakters – diese ist sogar noch wichtiger als
jene des Intellekts. Verantwortung, Pflicht, Treue und Mut sind unabdingbare
Bestandteile des Charakters der Elite. Die Kontrolle der eigenen Impulse ist
für die Elite weitaus bedeutender als für die „niederen“ Stände, denen man eher
ein „triebhaftes“ Nachgeben zugestehen kann – in den höchsten Kreisen jedoch
ist solches völlig verpönt. Wer von edler Gesinnung ist, hat auch ein arbeitsames
Naturell – allerdings ohne dabei in ängstlicher Haltung zu verfallen, von der
Arbeit getrieben zu sein und zum Workaholic zu werden, wie dies bei
bürgerlichen Menschen oft der Fall ist. Die Vorstellung die Elite wäre faul und
gäbe sich dem Müßiggang hin, ist ein Mythos, der gerne erzählt wird, um vor ihr
keine Achtung haben zu müssen.
Ein besonderer Aspekt der edlen
Geisteshaltung ist die Fähigkeit für sich selbst und für andere einzustehen.
Der Adel hatte traditionell die Aufgabe die Menschen zu schützen und musste
deshalb gut gerüstet und trainiert sein. Zu kämpfen, ebenso wie auf die Jagd zu
gehen und dabei erfolgreich zu sein, gehörte seit jeher zu den vom Adel
erwarteten Fähigkeiten. Deshalb muss auch der aristokratisch Gesinnte unserer
Tage sich darin üben, zumindest verbal jeden Kampf mit einem Gegner austragen
zu können. Eloquenz, Schlagfertigkeit und dominantes Verhalten sind Dinge, die
man lernen muss, wenn man „dazugehören“ möchte.
Der Glaube spielt bei der edlen
Gesinnung eine entscheidende Rolle. Zwar ist damit nicht unbedingt der Glaube
an Gott gemeint – wenngleich dies in der Praxis, zumindest im Westen, meist der
Fall ist. Das wichtigste ist es sein Leben in einen größeren Zusammenhang zu
setzen, das Irdische und das rein Materiell-Gewöhnliche, in dem die meisten
Menschen leben, zu transzendieren. Sein eigenes Leben etwas Höherem zu
unterstellen gibt einem ein starkes Fundament und größere Gewissheit, als sein
Dasein und sein Tun aus dem nur sinnlich Beobachtbaren zu unterwerfen.
Ebenso entscheidend ist das
Verständnis für Geschichte und die Erkenntnis, dass wir alle ein Glied in einer
Kette sind – eines, das auf viele Vorfahren folgt. Dementsprechend groß ist
deshalb auch die Achtung vor der Vergangenheit und den eigenen Eltern. Hass auf
die Eltern oder auch nur deren Ablehnung, geht nie mit einer aristokratischen
Grundhaltung konform. Die beliebte Praxis heutzutage den Eltern Schuldvorwürfe
zu machen, wird nicht geteilt. Hier erkennt das Individuum, dass Blut dicker
als Wasser ist und dass die Familie und die Bande des Blutes die stärksten im
Leben überhaupt sind. Dementsprechend wird auch die Wertigkeit der Familie
hervorgehoben.
Stil und Geschmack
Wer von feinerer Geisteshaltung,
ist weiß die guten Dinge des Lebens zu schätzen. Dies umfasst alle
Lebensbereiche und bezieht sich nicht nur auf die Kleidung, Speisen und
Getränke, Musik, Architektur und dergleichen. Menschen mit hoher Selbstachtung
sind nicht bereit Schlechtes zu akzeptieren – sei es nun ein minderwertiges
Produkt oder rüdes und ungehobeltes Verhalten. Höflichkeit, die beispielsweise
in der Dankbarkeit zum Ausdruck kommt, ist ein Zeichen von feiner Bildung – in
diesem Fall der Bildung des Herzens – und bei weniger entwickelten Naturen
nicht anzutreffen. Die Kleidung edel gesinnter Menschen, zeigt Achtung, vor
sich selbst und vor anderen. Gut gekleidet zu sein ist ein Zeichen von Respekt
vor anderen und deren Gruppen. Wer ungebührend gekleidet erscheint, beleidigt
damit anderen Menschen und beweist damit zudem seinen mangelnden Geschmack.
Die hier angeführten Punkte sind
sehr ernst gemeint, allerdings darf eines nicht vergessen werden. Eine
aristokratische Grundhaltung leitet sich aus dem ab, was ein Mensch ist,
nicht aus dem, was er hat! Damit ist sie nicht an den Besitz oder ein
bestimmte soziale Stellung gebunden, sie besteht in der Natur des Individuum
(freilich nicht in jener der Masse) und kann deshalb auch nicht durch Umstände
verloren gehen. Insofern bildet diese Haltung einen felsenfesten Grund für das
Leben, denn anders als die wechselnden Umstände und Dinge des Lebens, ist sie
keinen Wandlungen unterworfen. Wer sich auf diese Haltung verlässt, verlässt
sich auf etwas Zeitloses und steht auf festerem Grund, als etwas das Bürgertum,
das sich vor allem auf die Wirtschaftsethik mit ihrem „Haben“, „Vermehren“,
„Sparsamkeit“ und “Wirtschaften“ verlässt. Einem aristokratischen Menschen ist
solches zu „niedrig“, um es zur Grundlage seines Lebens zu machen.
Der tiefe innere Wunsch in einem
Individuum von „Adel“ zu sein, eine adelige Gesinnung zu haben, ist ein gutes
Zeichen – denn es zeigt, welches Potenzial in einem steckt. Hier besteht die
Möglichkeit, dass jemand sich entwickelt und mehr aus seinem Leben macht, dass
einer das Positive, das Individuelle, das Herausragende dem Sumpf der Mittelmäßigkeit
und dem „Gewöhnlichen“ gegenüber zum Ausdruck bringen kann. Es sind diese
Menschen, von denen die Zukunft abhängt, denn nur durch sie kommt das Gute in
die Welt. Vom Pessimisten, vom Schwarzseher und Zukunftsverneiner hat die Welt
nichts zu erwarten. Setzten wird deshalb auf jene, die noch über die vitalen
Kräfte verfügen, deren Geist auf das Schaffende ausgerichtet ist und die über
„Hohen Muot“ verfügen, wie es im mittelalterlichen Ideal des Ritters hieß.
Freilich ist die „adelige Grundhaltung“ ein Ideal und wie alle Ideale
programmatisch und nicht deskriptiv zu verstehen. Doch je näher wir dem Ideal
kommen, desto vollkommener sind auch wir selbst, desto besser können wir die
Welt mitgestalten und zum Guten beitragen. Das ist unsere Verantwortung – die
Verantwortung mehr zu sein als wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind.
Euer Sokrates
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