Die
Person, die ich Euch heute vorstellen möchte, wird von der Geschichte nicht gerade
in gutem Licht dargestellt, um es gelinde auszudrücken. Der Mann, um den es
heute geht, wird meist als fürchterlicher Schurke, als Schinder und
Menschenhasser, als ehrgeiziger Karrierist dargestellt, der über Leichen geht,
um seinen Willen durchzusetzen, dargestellt: William Bligh. Doch ist dieses
Bild gerechtfertigt oder gibt es Fakten, die ein ganz anderes Bild dieses Mannes
zeichnen, der das Unglück hatte bis heute mit einer tragischen Meuterei in
Verbindung gebracht zu werden – einer Geschichte, bei der er, nicht nur für
Hollywood, den Bösewicht geben muss?
Herkunft,
Jugend und frühe Karriere
Geboren
wurde William Bligh im September 1754 in Plymouth, in eine Seefahrerfamilie. Bereits
mit 15 Jahren finden wir ihn als Kadetten, wobei er wahrscheinlich schon damals
seit einigen Jahren zu See gefahren sein dürfte. Bligh begleitete James Cook auf dessen
dritter Reise (1776-1779) in den Pazifik. Er war zugegen, als Cook von den
Einheimischen auf Hawaii ermordet wurde und spielte bei den Zwischenfall eine
nicht ganz unbedeutende Rolle, denn er hatte das Kommando über eines der
Schiffe (die „Resolution“), das eine Bucht der fraglichen Insel, auf der sich
das Unglück ereignete, abriegelte, um so von den Hawaiianern die Herausgabe
eines gestohlenen Bootes zu erzwingen. Bligh führte die „Resolution“ sicher
nach England zurück. In den folgenden Jahren diente er in der englischen Marine
im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, wobei er gegen die Franzosen zum
Einsatz kam. Nach dem Krieg zieht er sich ins Zivilleben zurück und dient auf
Handelschiffen im Rumhandel zwischen England und den Westindischen Inseln.
Die
Bounty-Expedition
1787
erhielt Bligh das Kommando über die „Bounty“, um mit ihr die Brotfrucht und
andere Pflanzen aus der Südsee in die Karibik zu bringen, um sie dort als
billige Nahrungsquelle für Sklaven zu kultivieren. Auf dieser Fahrt entdeckte
er südlich von Neuseeland Inseln, denen er den Nahmen „Bounty“ gab. Auf Tahiti
war er eifrig damit beschäftigt die entsprechenden Pflanzen einzusammeln und an
Bord seines Schiffes zu bringen. Ein Großteil der Mannschaft gab sich derweil
dem Müßiggang und der Verführung der Inselschönheiten hin. Schon hier gab es erste
Konflikte mit dem fleißigen Kapitän, der solche Techtelmechtel strickt verboten
hatte. Als die Expedition Tahiti verließ, kam es bald in der Nähe der
Tonga-Inseln zur Auseinandersetzung mit dem einstigen Freund Blighs, dem
adeligen Christian Fletcher. Es kam zu der berühmten Meuterei, in deren
Zuge Bligh mit 18 Männern gezwungen wurde in einem winzigen Boot von 7 Metern
Länge den Pazifik zu durchqueren. In den kommenden 48 Tagen leistete Bligh
eines der größten seemännischen Meisterleistungen: Es steuerte das Boot über
6700 Kilometer weit, bis zur portugiesischen Insel Timor. Es war inzwischen
Juni 1789.
Zurück
in England wurde Bligh zum Captain befördert und es kam auf sein Betreiben zu
einem Gerichtsprozess, in dessen Folge die Meuterer verurteilt wurden.
Allerdings klagte Bligh auch Offiziere an, die mit ihm ausgesetzt worden waren,
denn sie hatten seiner Ansicht nach Schwäche gezeigt. Die Meuterer hatten mit
der „Bounty“ inzwischen die weitab gelegene Insel Pitcairn angelaufen,
zusammen mit ihren polynesischen Geliebten. Auf der schönen Insel hofften sie
unerkannt zu bleiben, denn sie lag auf keiner der gängigen Routen in den
Südpazifik. Dieser Traum wurde jedoch bald zunichte gemacht. Ein britisches
Kriegsschiff fand die Verbrecher, überwältigte sie im Kampf und brachte sie
zurück nach England, wo sie vors Kriegsgericht gestellt wurden.
Späterer
Werdegang
Von
1791-1793 erhielt Bligh erneut ein Kommando in die Südsee, das er erfolgreich
und ohne Zwischenfälle auf der „Providence“ und der „Assistant“ ausübte. 1797
befehligte Bligh die „Director“ (auf diesem Schiff erlebte er eine zweite
Meuterei vor der Südostküste Englands) in der Schlacht von Camperdown. 1801 in
der berühmten Schlacht von Kopenhagen, in der sich Horation Nelson so glänzend
auszeichnete (Befehlshaber der Flotte war Sir Parker Hyde), stand die „Glatton“
unter seinem Kommando. 1802 wurde er Mitglied der Royal Society. 1805 ernannte
man Bligh zum Gouverneur von Neu-Südwales (Australien). Sein „harter“ militärischer
und auf Disziplin ausgerichteter Stil brachte ihm jedoch bald seine Absetzung
ein und führte dazu, dass er 1808 sogar eingesperrt wurde. Bligh war dabei mit
großer Härte gegen Korruption unter den Offizieren vorgegangen und hatte einen
Aufstand, der als „Rum-Rebellion“
bekannt werden sollte, ausgelöst. Seiner Karriere schadete dieser Vorfall
freilich nicht, wie überhaupt ihm diesbezüglich scheinbar nichts schaden
konnte. 1811, nach England zurückgekehrt, beförderte man ihn zum Konteradmiral,
1814 zum Vizeadmiral. Ein Kommando auf einem Schiff wurde ihm jedoch nicht mehr
anvertraut. Das Familienleben Blighs war gut gewesen, seine Ehe harmonisch und
gut geführt. Er hatte insgesamt drei Kinder gehabt. Die beiden Jungen starben
kurz nach der Geburt, die Tochter, Anne, litt an Epilepsie und war an den
Rollstuhl gefesselt. Bligh zeigte sich als liebevoller Vater und schämte sich
nicht mit ihr auch in der Öffentlichkeit aufzutreten, was zur damaligen Zeit
eine große Ausnahme war. William Bligh starb am 7. Dezember 1817 in London,
wahrscheinlich an Magenkrebs.
Das
Images Blighs bei der Nachwelt
Schon
zu Lebzeiten war Bligh ein beliebtes Opfer von Rufmord und Spott gewesen.
Besonders hervorgetan hatte sich dabei die adelige Familie aus der der „große“
Widersacher Blighs, Christian Fletcher, stammte. Diese wollte ihren guten Ruf
bewahren, indem sie den eines anderen in den Dreck zog (was bis heute stets
eine beliebte Methode geblieben ist). Der Zeitgeist kam dabei den Feinden
Blighs entgegen, denn im selben Jahr wie die berühmte Meuterei auf der „Bounty“,
begann die Französische Revolution, die auch in England Anhänger hatte. Es war
ein Leichtes Bligh als einen Tyrannen des alten Systems darzustellen, gegen den
das Volk (die Mannschaft) aus Freiheitsliebe aufbegehrte. Zudem hatte Blighs
Expedition das Ziel die Brotfrucht in die Karibik zu bringen, um dort die
Ernährung der Sklaven zu verbilligen. Dies erregte die Hetze der Gegner der
Sklaverei gegen ihn. Lange Zeit versuchte Bligh die Anschuldigungen gegen ihn
zu ignorieren oder zumindest öffentlich unbeantwortet zu lassen. Auf Anraten
eines guten Freundes stelle er sich – spät aber doch – der Öffentlichkeit und
widerlegte die Vorwürfe, die gegen ihn gemacht wurden – unter anderem durch
eidesstattliche Erklärungen von Besatzungsmitgliedern der „Bounty“. Es half
jedoch alles nichts – sein Bild blieb ein miserables. Wie die Meuterei auf der
„Bounty“ in ihren Einzelheiten abgelaufen ist, ist bis heute – mehr als 200
Jahre danach – immer noch ungeklärt und höchst strittig. Die Öffentliche
Meinung jedoch hat ihr Urteil bereits längst gefällt – so, wie sie es meistens
tut – ohne die Faktenlage zu würdigen. So ist Bligh in Romanen und Filmen bis
heute ein Schurke geblieben und wird dieses Image wohl auch so schnell nicht
loswerden.
Conclusio
Tatsächlich
war William Bligh ein weitaus fähigerer Seemann, als er für gewöhnlich
dargestellt wird – von purem Sadismus kann hier keine Rede sein und wer ihm
nautische Unfähigkeit vorwirft, der wird sträflich durch die vorliegenden
Fakten eines Besseren belehrt. In Wahrheit gab es zu Blighs Zeiten nur wenige,
die es diesbezüglich mit ihm aufnehmen konnten.
Wahr
ist aber auch, dass Bligh eine gewisse Ungeschicklichkeit im Umgang mit Männern
hatte – sein Verständnis für die Psyche anderer Menschen hatte seine Grenzen
und seine Menschenkenntnis gehörte nicht zu den besten. Ihn deshalb jedoch als
Stümper zu bezeichnen, wird ihm nicht gerecht. Er war ein Mann mit Prinzipien –
Prinzipien, die teilweise zum Absoluten erhoben wurden und die auch über dem
„Menschlichen“ standen. Bligh hatte ein Talent sich bei den ihm unterstehenden
Männern unbeliebt zu machen. Am wenigsten konnte er Schwäche ertragen oder das,
was er als Schwäche interpretierte. Es entsprach seinem Naturell Schwäche mit
charakterlicher Minderwertigkeit gleichzusetzen. Bligh ist ein Beispiel dafür,
was geschieht, wenn man Disziplin nicht durch entsprechende andere Werte
ergänzt. Hätte Bligh etwas mehr Fingerspitzengefühl gehabt und sich mehr um die
Beachtung der öffentlichen Meinung gekümmert, hätten wir heute ein anderes Bild
des großen englischen Seemanns. So wird er wohl noch lange Zeit in einer Reihe
mit anderen sogenannten Schurken der Geschichte stehen.
Euer
Sokrates
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