Freitag, 4. Juli 2014

HAYEK 11 - THE END OF TRUTH


Für jede geplante Gesellschaft ergibt sich das Problem, wie die einzelnen Individuen dem kollektiven Ziel untergeordnet werden können, damit dies mit möglichst wenig „Reibung“, sprich Schwierigkeiten, verbunden ist. Am leichtesten ist es solche zentral angeordneten Ziele zu erreichen, indem man die Menschen dazu bringt, möglichst alle Menschen, an diese Ziele zu glauben. In einer totalitären Gesellschaft muss die Bevölkerung – und zwar nach Möglichkeit jedes einzelne Individuum – dazu gebracht werden sich mit den kollektiven Zielen derart zu identifizieren, dass es diese für seinen eigenen hält. Gibt es eine bessere Kontrolle über die Menschen, als wenn sie gar nicht mehr in der Lage sind eigene Ziele sich auch nur zu denken, aber fälschlicherweise glauben, die von ihnen verfolgten Ziele wären ihre eigenen? Es ist dies die alte Geschichte vom Sklaven, der glaubt frei zu sein und sich deshalb nicht einmal mit der Frage der Befreiung beschäftigt. Menschen kontrolliert man dadurch, dass man ihre Gedanken kontrolliert und dies erreicht man dadurch, dass man sagt was richtig und falsch ist.

 

Das Mittel um alle an dieselben Ziele glauben zu lassen ist die Propaganda. Die totalitäre Propaganda untergräbt im Ergebnis alle Moral, weil sie eines ihrer Fundamente angreift: den Sinn für und den Respekt vor der Wahrheit! Im Totalitarismus kann es keinen Disput über und kein Hinterfragen der Werte geben. Für das Funktionieren eines solchen Zwangssystems ist es nicht nur notwendig, dass alle die gleichen Ziele verfolgen, sondern auch, dass die dabei angewandten Mittel von allen geteilt werden. Es ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, dass der einzelne die Welt auf dieselbe Weise sieht, wie jene, die das System steuern, andere Interpretationen sind nicht zulässig.  Totalitäre Regime sind Meister der Rationalisierung, sowie der Schaffung von Mythen – ohne solche kann es keine Machtausübung in dem Maße und auf jene Art geben, wie sie der Totalitarismus braucht. Ein besonders schlimmes Schicksal erleidet auch die Wissenschaft. Diese kann nämlich ihre Aufgabe, die Suche nach der Wahrheit, nicht mehr erfüllen, denn stets ist bereits das Ziel vorgegeben, in den meisten Fällen sogar der Weg zu diesem. Wahrheit ist in einem totalitären System nicht etwas an sich Existierendes, etwas, das man findet, sondern ein Konstrukt des Systems selbst. Wahr ist, was jene, die die Macht haben, als wahr verordnen. Dass unter diesen Umständen eine ordentliche wissenschaftliche Arbeit nicht mehr möglich ist, ist evident.

 

Am effektivsten sind jedoch totalitäre Regime in der Umdeutung von Begriffen. Was einst eine völlig andere Bedeutung hatte, wird ideologiekonform uminterpretiert. Die Vergewaltigung der Sprache ist ein wesentliches Kennzeichen solcher Systeme. Unter den gewohnten „positiven“ Begriffen können so die grausamsten Handlungen durchgeführt werden. Ideologien nehmen jenen, die sie in ihren Köpfen tragen die Freiheit und machen damit zwangsläufig bis zu einem gewissen Grad dumm. Diese Dummheit ist jedoch nicht auf mangelnde Intelligenz zurückzuführen, im Gegenteil, denn Ideologen finden sich meist sogar unter besonders intelligenten Menschen, was jedoch zugrunde gerichtet wird ist die Vernunft. Beim Ideologen bleibt nichts als der bloße Verstand übrig. Ideologien sind kollektive Rationalisierungen für Verbrechen und Unmenschlichkeiten aller Art – es gibt nichts was im Namen einer Ideologie nicht als gut betrachtet werden könnte – bis hin zum Völkermord. Begriffe wie „Recht“, „Gleichheit“ oder „Gerechtigkeit“ erfahren in beinahe allen kollektivistischen Systemen eine Umdeutung. Am schlimmsten jedoch ergeht es dem Begriff der „Freiheit“. Die wahre Bedeutung von Freiheit besteht in der Abwesenheit von Zwang. Und Zwang bedeutet Gewalt oder Drohung mit Gewalt gegen einen anderen oder sein Eigentum. Was jedoch bei den verschiedenen totalitären Regimen daraus wurde, darüber legt die Geschichte ein beredtes Zeugnis ab.

 

Totalitäre Systeme verhalten sich zu jeder Zeit, als ob sie sich im Krieg befänden. Jeder Zweifel, jede Kritik am System wird als eine Art Gefahr für den „Sieg“ des Systems angesehen und wer solche äußert muss genauso behandelt werden, wie ein Verräter im Krieg. Deshalb muss das Geistesleben der Menschen völlig kontrolliert werden; besonders die Bereiche Recht, Geschichte, Ökonomie, die gesamten Sozialwissenschaften überhaupt, werden zum ersten Gegenstand der Kontrolle. Diese sind freilich jene, die am direktesten mit ihrer Arbeit ein politisches und gesellschaftliches System bedrohen können. Getan ist es damit jedoch noch nicht, denn selbst die scheinbar so „unpolitischen“ Naturwissenschaften werden bald „auf Linie“ gebracht. So gab es etwa unter dem Nationalsozialismus Dinge wie eine „germanische Mathematik“ oder eine „germanische Naturwissenschaft“. Daran erkennt man bereits, dass totalitäre System alles für sich beanspruchen und ihrer Vorstellungen gemäß zurechtbiegen müssen, selbst wenn es sich um Dinge wie die Naturgesetze handelt. Über kurz oder lang haben so immer weniger Menschen Zugang zur Realität, denn wenn für den „Abweichler“ sogar Lebensgefahr oder „Umerziehung“ droht, dann unterlässt man das denken besser ganz. Denken braucht Freiheit, ebenso wie die Wahrheit – unter Zwang kann es nur vorgefertigte Meinungen geben. Wahrheit ist dann die zur Realität erklärte Meinung der Machthaber und hat nichts mehr mit den wirklichen Gegebenheiten in der Welt zu tun. So unangenehm es auch sein mag, wenn der eigenen Meinung widersprochen wird, so bleibt doch nur dadurch die Tür offen, um klüger zu werden. Wer kategorisch glaubt bereits im Besitz der Wahrheit zu sein, der kümmert sich um solche Dinge freilich nicht. Doch wer die Wahrheit wirklich liebt, der wird nicht behaupten sie zu besitzen.

 

Die Folge all dieser Zwangsmaßnahmen, die sich auf das Denken der Menschen beziehen, ist, dass die Bevölkerung zynisch wird und Zynismus ist immer ein Zeichen von Angst und oft bereits der Hoffnungslosigkeit. Es gibt aber auch Gefahren, die auch in freien Gesellschaften von den Wissenschaften, gerade von den Sozialwissenschaften, ausgehen – nämlich durch die Behauptung es gäbe überhaupt keine Wahrheit oder alles sei relativ. Beide Aussagen sind in sich widersprüchlich, denn anscheinend meint man dann, dass die einzig wirkliche Wahrheit eben jene Wahrheit sei, dass es keine Wahrheit gäbe! Bzw. dass alles relativ sei, außer der Aussage, dass alles relativ sei selbst – diese muss ja absolut gesehen werden, sonst macht die Aussage keinen Sinn. Sie tut es jedoch auch dann noch nicht, wenn man diese, meist verschwiegene, Ansicht aufdeckt. Es ist erstaunlich wie wenig heutzutage die Notwendigkeit zumindest EINER absoluten Sache an der Basis allen Seins missachtet wird! Was die Sozialwissenschaft anbelangt, so haben diese durch ihre relativistischen Ansichten viele entmutigt nach der Wahrheit überhaupt zu suchen. Die Ursache für den Relativismus finden wir im Positivismus, der von fast allen Sozialwissenschaftlern vertreten wird und ein Glaubenssystem ist! (was in der Regel verschwiegen wird). Die Problematik von „absolut“ und „relativ“ weist jedoch darauf hin, dass der Positivismus falsch liegt, ebenso wie der Sozialismus, der ebenfalls ohne Positivismus nicht denkbar wäre.

 

Die meisten Menschen folgen anderen im Leben, das gilt für das Geistesleben nicht anders, als für die meisten anderen Bereiche. Dieser Umstand stellt jedoch in einer freien Gesellschaft kein großes Problem dar, wo es viele verschiedene „Führer“ gibt. Im Totalitarismus jedoch kann es nur einen solchen „Führer“ geben und damit ist eine gesamte Gesellschaft auf Gedeih und Verderben diesem ausgeliefert. Wenn dieser sich irrt, dann geht ein ganzes Land, ein ganzes Volk zugrunde. Der Geist des Menschen muss frei sein, man darf ihn nicht kontrollieren, dadurch verliert er seine Kraft. Die bewusste Kontrolle des Geistes ist eines der größten „Sünden“ des modernen Menschen. Es ist dies ein typisches modernes Phänomen, auch wenn es gewisse geistige Traditionen gibt, die dies seit Jahrtausenden für ratsam erachten, bzw. für die die bewusste Kontrolle des Geistes sogar essentieller Bestandteil ihrer Lehre ist (wie etwa beim Buddhismus). Nur in einem spontanen, nicht bewusst kontrollierten Umfeld, kann der Geist sich entfalten, die bewusste Kontrolle würgt in Wahrheit jede Weiterentwicklung ab.

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