Für
jede geplante Gesellschaft ergibt sich das Problem, wie die einzelnen
Individuen dem kollektiven Ziel untergeordnet werden können, damit dies mit
möglichst wenig „Reibung“, sprich Schwierigkeiten, verbunden ist. Am leichtesten
ist es solche zentral angeordneten Ziele zu erreichen, indem man die Menschen
dazu bringt, möglichst alle Menschen, an diese Ziele zu glauben. In einer
totalitären Gesellschaft muss die Bevölkerung – und zwar nach Möglichkeit jedes
einzelne Individuum – dazu gebracht werden sich mit den kollektiven Zielen
derart zu identifizieren, dass es diese für seinen eigenen hält. Gibt es eine
bessere Kontrolle über die Menschen, als wenn sie gar nicht mehr in der Lage
sind eigene Ziele sich auch nur zu denken, aber fälschlicherweise glauben, die
von ihnen verfolgten Ziele wären ihre eigenen? Es ist dies die alte Geschichte
vom Sklaven, der glaubt frei zu sein und sich deshalb nicht einmal mit der
Frage der Befreiung beschäftigt. Menschen kontrolliert man dadurch, dass man
ihre Gedanken kontrolliert und dies erreicht man dadurch, dass man sagt was
richtig und falsch ist.
Das
Mittel um alle an dieselben Ziele glauben zu lassen ist die Propaganda. Die
totalitäre Propaganda untergräbt im Ergebnis alle Moral, weil sie eines ihrer
Fundamente angreift: den Sinn für und den Respekt vor der Wahrheit! Im
Totalitarismus kann es keinen Disput über und kein Hinterfragen der Werte
geben. Für das Funktionieren eines solchen Zwangssystems ist es nicht nur
notwendig, dass alle die gleichen Ziele verfolgen, sondern auch, dass die dabei
angewandten Mittel von allen geteilt werden. Es ergibt sich zwangsläufig die
Notwendigkeit, dass der einzelne die Welt auf dieselbe Weise sieht, wie jene,
die das System steuern, andere Interpretationen sind nicht zulässig. Totalitäre Regime sind Meister der Rationalisierung,
sowie der Schaffung von Mythen – ohne solche kann es keine Machtausübung in dem
Maße und auf jene Art geben, wie sie der Totalitarismus braucht. Ein besonders
schlimmes Schicksal erleidet auch die Wissenschaft. Diese kann nämlich ihre
Aufgabe, die Suche nach der Wahrheit, nicht mehr erfüllen, denn stets ist
bereits das Ziel vorgegeben, in den meisten Fällen sogar der Weg zu diesem.
Wahrheit ist in einem totalitären System nicht etwas an sich Existierendes,
etwas, das man findet, sondern ein Konstrukt des Systems selbst. Wahr ist, was
jene, die die Macht haben, als wahr verordnen. Dass unter diesen Umständen eine
ordentliche wissenschaftliche Arbeit nicht mehr möglich ist, ist evident.
Am
effektivsten sind jedoch totalitäre Regime in der Umdeutung von Begriffen. Was
einst eine völlig andere Bedeutung hatte, wird ideologiekonform
uminterpretiert. Die Vergewaltigung der Sprache ist ein wesentliches
Kennzeichen solcher Systeme. Unter den gewohnten „positiven“ Begriffen können
so die grausamsten Handlungen durchgeführt werden. Ideologien nehmen jenen, die
sie in ihren Köpfen tragen die Freiheit und machen damit zwangsläufig bis zu
einem gewissen Grad dumm. Diese Dummheit ist jedoch nicht auf mangelnde
Intelligenz zurückzuführen, im Gegenteil, denn Ideologen finden sich meist
sogar unter besonders intelligenten Menschen, was jedoch zugrunde gerichtet
wird ist die Vernunft. Beim Ideologen bleibt nichts als der bloße Verstand
übrig. Ideologien sind kollektive Rationalisierungen für Verbrechen und
Unmenschlichkeiten aller Art – es gibt nichts was im Namen einer Ideologie
nicht als gut betrachtet werden könnte – bis hin zum Völkermord. Begriffe wie
„Recht“, „Gleichheit“ oder „Gerechtigkeit“ erfahren in beinahe allen
kollektivistischen Systemen eine Umdeutung. Am schlimmsten jedoch ergeht es dem
Begriff der „Freiheit“. Die wahre Bedeutung von Freiheit besteht in der
Abwesenheit von Zwang. Und Zwang bedeutet Gewalt oder Drohung mit Gewalt gegen
einen anderen oder sein Eigentum. Was jedoch bei den verschiedenen totalitären
Regimen daraus wurde, darüber legt die Geschichte ein beredtes Zeugnis ab.
Totalitäre
Systeme verhalten sich zu jeder Zeit, als ob sie sich im Krieg befänden. Jeder
Zweifel, jede Kritik am System wird als eine Art Gefahr für den „Sieg“ des
Systems angesehen und wer solche äußert muss genauso behandelt werden, wie ein
Verräter im Krieg. Deshalb muss das Geistesleben der Menschen völlig
kontrolliert werden; besonders die Bereiche Recht, Geschichte, Ökonomie, die
gesamten Sozialwissenschaften überhaupt, werden zum ersten Gegenstand der
Kontrolle. Diese sind freilich jene, die am direktesten mit ihrer Arbeit ein
politisches und gesellschaftliches System bedrohen können. Getan ist es damit
jedoch noch nicht, denn selbst die scheinbar so „unpolitischen“
Naturwissenschaften werden bald „auf Linie“ gebracht. So gab es etwa unter dem
Nationalsozialismus Dinge wie eine „germanische Mathematik“ oder eine
„germanische Naturwissenschaft“. Daran erkennt man bereits, dass totalitäre
System alles für sich beanspruchen und ihrer Vorstellungen gemäß zurechtbiegen
müssen, selbst wenn es sich um Dinge wie die Naturgesetze handelt. Über kurz
oder lang haben so immer weniger Menschen Zugang zur Realität, denn wenn für
den „Abweichler“ sogar Lebensgefahr oder „Umerziehung“ droht, dann unterlässt
man das denken besser ganz. Denken braucht Freiheit, ebenso wie die Wahrheit –
unter Zwang kann es nur vorgefertigte Meinungen geben. Wahrheit ist dann die
zur Realität erklärte Meinung der Machthaber und hat nichts mehr mit den
wirklichen Gegebenheiten in der Welt zu tun. So unangenehm es auch sein mag,
wenn der eigenen Meinung widersprochen wird, so bleibt doch nur dadurch die Tür
offen, um klüger zu werden. Wer kategorisch glaubt bereits im Besitz der
Wahrheit zu sein, der kümmert sich um solche Dinge freilich nicht. Doch wer die
Wahrheit wirklich liebt, der wird nicht behaupten sie zu besitzen.
Die
Folge all dieser Zwangsmaßnahmen, die sich auf das Denken der Menschen beziehen,
ist, dass die Bevölkerung zynisch wird und Zynismus ist immer ein Zeichen von
Angst und oft bereits der Hoffnungslosigkeit. Es gibt aber auch Gefahren, die
auch in freien Gesellschaften von den Wissenschaften, gerade von den
Sozialwissenschaften, ausgehen – nämlich durch die Behauptung es gäbe überhaupt
keine Wahrheit oder alles sei relativ. Beide Aussagen sind in sich
widersprüchlich, denn anscheinend meint man dann, dass die einzig wirkliche
Wahrheit eben jene Wahrheit sei, dass es keine Wahrheit gäbe! Bzw. dass alles
relativ sei, außer der Aussage, dass alles relativ sei selbst – diese muss ja
absolut gesehen werden, sonst macht die Aussage keinen Sinn. Sie tut es jedoch
auch dann noch nicht, wenn man diese, meist verschwiegene, Ansicht aufdeckt. Es
ist erstaunlich wie wenig heutzutage die Notwendigkeit zumindest EINER
absoluten Sache an der Basis allen Seins missachtet wird! Was die
Sozialwissenschaft anbelangt, so haben diese durch ihre relativistischen
Ansichten viele entmutigt nach der Wahrheit überhaupt zu suchen. Die Ursache
für den Relativismus finden wir im Positivismus, der von fast allen
Sozialwissenschaftlern vertreten wird und ein Glaubenssystem ist! (was in der
Regel verschwiegen wird). Die Problematik von „absolut“ und „relativ“ weist
jedoch darauf hin, dass der Positivismus falsch liegt, ebenso wie der
Sozialismus, der ebenfalls ohne Positivismus nicht denkbar wäre.
Die
meisten Menschen folgen anderen im Leben, das gilt für das Geistesleben nicht
anders, als für die meisten anderen Bereiche. Dieser Umstand stellt jedoch in
einer freien Gesellschaft kein großes Problem dar, wo es viele verschiedene
„Führer“ gibt. Im Totalitarismus jedoch kann es nur einen solchen „Führer“
geben und damit ist eine gesamte Gesellschaft auf Gedeih und Verderben diesem
ausgeliefert. Wenn dieser sich irrt, dann geht ein ganzes Land, ein ganzes Volk
zugrunde. Der Geist des Menschen muss frei sein, man darf ihn nicht
kontrollieren, dadurch verliert er seine Kraft. Die bewusste Kontrolle des
Geistes ist eines der größten „Sünden“ des modernen Menschen. Es ist dies ein
typisches modernes Phänomen, auch wenn es gewisse geistige Traditionen gibt,
die dies seit Jahrtausenden für ratsam erachten, bzw. für die die bewusste
Kontrolle des Geistes sogar essentieller Bestandteil ihrer Lehre ist (wie etwa
beim Buddhismus). Nur in einem spontanen, nicht bewusst kontrollierten Umfeld,
kann der Geist sich entfalten, die bewusste Kontrolle würgt in Wahrheit jede
Weiterentwicklung ab.
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