Nirgendwo
zeigt sich die Aufgabe der liberalen Ideale des 19. Jahrhunderts so deutlich,
wie im Bereich der internationalen Beziehungen. Die nationale Abschottung, die
nach dem Ende des Ersten Weltkriegs immer größer wurde und die
„Nationalisierung“ der Wirtschaft waren meist direkte Folgen der Planung, die
bereits lange vor dem Krieg eingesetzt hatte. Der Krieg lieferte allenfalls
Propagandamaterial, um diese Abschottung schneller und umfangreicher durchführen
zu können. Die völkerverständigende und friedensstiftende Wirkung des freien
Handels wurde mehr und mehr vergessen oder missachtet.
Planung
ist oft überhaupt nur dann möglich, wenn es zu einer, zumindest teilweisen,
Abschottung der eigenen Wirtschaft und Gesellschaft gegen die Einflüsse anderer
Staaten kommt. Die größte Gefahr dieser Abschottung liegt aber nicht einmal
darin, dass dadurch der Wohlstand gefährdet wird, sondern in der Gefährdung des
Frieden, die davon ausgeht. Wenn die Ressourcen einer Nation als Eigentum
dieser National selbst und nicht als jene von Individuen angesehen werden, dann
führt dies bald zu groben Unstimmigkeiten mit anderen Nationen. Es ist eine
Illusion zu glauben die Frage der Rohstoffe könne von der Ebene des Markts auf
jene des Staates oder von Gruppen verlagert werden, um damit die „Reibung“ zu
vermindern, die sich mit anderen Staaten ergibt. Es ist ebenso eine Illusion zu
glauben man könne so etwas wie eine „internationale Planung“ einführen. Die
Probleme, die sich bereits im „Kleinen“, auf nationaler Ebene zeigen, werden
auf internationaler Eben nur noch größer. Die diktatorischen Maßnahmen, die
hier nötig sind, sind noch weitaus umfangreicher, als jene auf der nationalen
Ebene. Und zuletzt ist es auch ein Irrtum zu glauben dass es zuletzt eine
zentrale Planung geben könne, die gut funktioniert, wenn man die Entscheidungen
an das „Volk“ bzw. die „Völker“ delegiert, um damit die Klassenunterschiede
sich erübrigen zu lassen. Gerade bei der „internationalen Planung“ würden so die
„reichen“ Arbeiter in den wohlhabenderen Ländern zu Objekten des Hasses für die
„ärmeren“ Arbeiter in den armen Nationen werden. Es wird immer jemanden
brauchen, der in so einem System die Entscheidungen darüber trifft welche
Prioritäten gelten sollen, welche Interessen verfolgt und welche hintan
gestellt werden sollen, welche von höherem und welche von niedrigerem Wert
sind. Die einzig wahre Hilfe für die Armen (auch für arme Staaten) besteht
darin sie zu befähigen sich selbst helfen zu können, anstatt zum willkürlichen
Mittel der „Umverteilung“ zu greifen. Nur wenn jemand aus eigener Kraft heraus
aus seiner Armut entkommt, dann bewahrt er seine Würde und seine
Unabhängigkeit.
Jede
internationale Autorität, die nicht einer höheren politischen Macht untersteht,
selbst wenn ihr Wirkungsbereich auf ein kleines Feld beschränkt ist, übt bald
diktatorische Macht aus. Solche Diktaturen werden meist mit der „technischen
Notwendigkeit“ gerechtfertigt, mit dem Hinweis darauf, dass die technische
Entwicklung es unumgänglich mache ein Monopol zu bilden.
Internationale
Organisationen können leicht dazu missbraucht werden, dass große Nationen durch
sie den kleinen ihren Willen aufzwingen. Was wir brauchen – aus der Sicht des
Jahres 1944 – ist eine supranationale Organisation, die die Schädigung von
Staaten durch andere verhindert, vor allem der großen durch die kleinen
Staaten. Aber eine solche Organisation darf sich keinesfalls in die „Planung“
einmischen oder gar selbst supranationale Pläne verfolgen, und dadurch die
nationalen Interessen unterdrücken. Wir brauchen eine Organisation, die
zwischen wirtschaftlichen Konflikten schlichtet, den Wettbewerb ermöglicht,
aber selbst nicht über ein Wirtschaftsplanungskonzept verfügt. Diese
Organisation muss sich der Rechtsstaatlichkeit verpflichten; nicht die
Interessen der Mitglieder, auch keine Interessenskompromisse, sondern
allgemeine Prinzipien müssen die Grundlage aller Entscheidungen dieser
Organisation sein. Was im einzelnen Staat die Rechtsstaatlichkeit ist, muss sich
auf der internationalen Ebene ebenso zeigen.
Der
Föderalismus ist die einzige vernünftige Organisationsform für Staaten und
Staatenbünde, denn nur durch ihn kann eine zentrale Planung, bzw. zentrale
Machtausübung verhindert werden. Individuelle Freiheit setzt auf der Ebene des
einzelnen Menschen voraus, dass die Macht des Staates begrenzt ist, auf der
Ebene der Staatengemeinschaft setzt sie voraus, dass der Staatenbund und die
gemeinsamen Institutionen eines solchen ebenfalls in ihrer Macht begrenzt sind.
Heute, im Jahr 2014, bedeutet dies etwa, dass die Freiheit eines Bürgers in der
EU nur dann gesichert ist, wenn die EU selbst, sowie der Einzelstaat in dem er
lebt, über möglichst wenig Macht verfügt. Und die Macht, die beim Einzelstaat
oder der EU als ganzes vorhanden ist, darf nur aufgrund von einigen allgemeinen
Prinzipien, niemals aufgrund von Willkür oder einer ausufernden Bürokratie
ausgeübt werden. Die Demokratie hat niemals je gut funktioniert, als in
Staaten, die starke lokale „Selbstregierungen“ aufwiesen, die die örtlichen
Angelegenheiten autonom regeln können. Gute Beispiele dafür sind etwas die
Schweiz und die Niederlande.
Wenn
wir die Welt fit für viele kleine Staaten machen, dann werden wir alle Gewinner
sein. Wenn wir die Macht nicht begrenzen, werden wir niemals in der Lage sein
Machtmissbrauch zu bekämpfen. Hayek hatte am Ende des 2. Weltkriegs – als
dieses Buch geschrieben wurde – die Hoffnung, dass die Sieger des Krieges die
Chance wahrnehmen würden, um eine supranationale Organisation zu gründen, die
sich als fähiger, wie der Völkerbund erweisen sollte. Dieser hatte dadurch,
dass er für „alles“ und für das „Große“ zuständig war, sich selbst übernommen und
so gelang es ihm nicht einmal mehr im Kleinen etwas zu bewirken – schon gar nicht
den Weltfrieden zu sichern. Hayek meinte zwar, dass eine solche neue Organisation
es wahrscheinlich auch nicht verhindern könne, dass es noch Kriege zwischen
„Blöcken“ geben werde, doch bestünden gute Chancen darin, dass man die
„Reibung“ zwischen Staaten bereits in jenem Stadium beilegen könne, bevor diese
zum Krieg führt. Sollte das Ziel einer solchen Organisation sein, dass es
absolut keinen Krieg mehr geben dürfe, dann wären die Maßnahmen, die man dazu
treffen müsse derart umfassend und mit Zwängen verbunden, dass sie schlimmer
wären als so mancher Krieg selbst. Pazifismus ist deshalb abzulehnen, gerade
weil man den Frieden liebt. Die Maßnahmen, die er erfordert, die Kosten, sind
viel zu hoch, so dass unterm Strich das Leben der Menschen sich verschlechtert
und eben nicht verbessert, wie fälschlicherweise meist gemeint wird.
Im Jahr
1945 wurde in San Francisco eine solche Organisation gegründet – die UNO. Freilich
gibt es bei dieser viele Abweichungen von einem idealen „Föderalismus“; die
einzelnen Mitglieder sind nur teilweise gleichberechtigt und das politische
Gewicht ist sehr unterschiedlich verteilt. Durch den „ständigen Sicherheitsrat“
der fünf großen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, besteht eine
Privilegierung (durch ein absolutes Veto) dieser fünf Staaten und eine
Benachteiligung aller anderen. Auch wurde die UNO oft von einzelnen Staaten für
ihre partikulären Interessen missbraucht. Nichtsdestotrotz ist sie jene
Organisation, die es bisher besser geschafft hat, als alles was vorher bestand,
für einen Ausgleich der Interessen der Staaten auf der Welt zu sorgen. Vom
„Weltfrieden“ sind wir weit entfernt, doch müssen wir stets weiter auf jene
Maßnahmen setzten, die unter Beibehaltung der Freiheit einer friedvolleren Welt
dienen. Es ist der Liberalismus gewesen, der im Krieg immer den Zerstörer von
Werten und der Humanität sah. Setzen wir deshalb mehr auf die Freiheit als
Grundlage für alle Menschen und auf den freien Austausch untereinander, ohne
bevormundende Interventionen von Staaten oder Gruppen. Haben wir Vertrauen in
den Menschen und seine natürliche Fähigkeit mit seinesgleichen in Frieden und
Wohlstand zu leben!
Mit
diesem Eintrag ist die Zusammenfassung von „Der Weg zur Knechtschaft“ von
Friedrich August von Hayek abgeschlossen.