Es
war Anfang der 90er Jahre, ich war damals 13 Jahre alt, als mir ein Taschenbuch
unter die Hände kam, das den Titel „Seeteufel“ trug, auf seinem Cover einen
stolzen Windjammer zeigte und dessen Kurzbeschreibung mich auf Anhieb gefesselt
hatte. Dabei handelte es sich um den faszinierenden Bericht des deutschen
Kaperfahrers Felix Graf Luckner, der während des Ersten Weltkriegs für die
Kaiserliche Marine ordentlich die Weltmeere aufgemischt hatte. Heuer im
Dezember jährt sich der Beginn jener berüchtigten Kaperfahrt zum 100. Mal, die
Luckner zur gefeierten Person, nicht nur in Deutschland, machen sollte.
Ein
Abenteurer von Anfang an
Felix
Graf von Luckner wurde am 9. Juni 1881 in Dresden geboren. Aus adeligem Hause
war er jedoch schon früh eine Art schwarzes Schaf der Familie. Bereits mit 13
Jahren verließ er Hals über Kopf seine Familie und schiffte sich unter dem
falschen Namen „Phylax Lüdecke“ zur See ein. Als Seemann diente er sich hoch
und erwarb die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten. Er erwarb das
Steuermanns- und das Kapitänspatent, diente 1903/4 zum ersten Mal freiwillig in
der Kaiserlichen Marine und wurde 1910 zum Offizier der Kriegsmarine.
Kaperfahrt
mit der SMS Seeadler
Als
der Erste Weltkrieg ausbrach, diente Luckner aktiv in der Marine und nahm 1916
an der größten Seeschlacht der Kriegs, an jener am Skagerrak, teil. 1916 war
auch jenes Jahr, in dem seine Reise begann, die ihn weltberühmt und zu einem
nationalen Helden werden lassen sollte. Den Deutschen machte damals vor allem
die englische Seeblockade schwer zu schaffen, die dafür sorgte, dass das Reich
von vielen wichtigen Rohstoffen von Übersee abgeschlossen war. Die Antwort auf
die Blockade waren die U-Boote, deren Erfolge im Ersten Weltkrieg jedoch noch
nicht kriegsentscheidend waren. Deshalb entschloss man sich zusätzlich zu
getarnten Kaperfahrten mit „gewöhnlichen“ Schiffen, die eine spezielle, heute
würde man sagen, „Tuning“ erhalten hatten.
Eines
dieser Kaperschiffe war ein alter Dreimaster, der mit einem 1000-PS
Dieselmotor, versteckten Kanonen, einer Funkanlage und verborgenen Laderäumen
versehen wurde und den Namen „Seeadler“ erhielt. Das alte, 1888 erbaute Schiff,
sollte unter norwegischer Flagge und einer entsprechend trainierten Mannschaft
die englische Blockade der Nordsee durchbrechen. Das Kommando erhielt, Dank
guter Beziehungen, Felix Graf Luckner, der mit dem Schiff am 21. Dezember 1916
in See stach.
Bald
schon wurde das Segelschiff von einem englischen Kreuzer angehalten und
genauestens überprüft. Der größte Teil der Mannschaft (insgesamt 64 Mann), war
in einem geheimen Zwischendeck untergebracht, die Waffen versteckt und alles
auf das Aussehen eines norwegischen Handelsschiffes getrimmt worden. An Deck befanden
sich nur jene Männer, die norwegisch oder plattdeutsch sprachen, in dicke
Norwegerpullover gepackt waren und die völlig unverdächtig schienen. Der Trick
gelangt, doch fast wäre es zu einer Katastrophe gekommen. Die versteckte
Mannschaft glaubte schon entdeckt worden zu sein und bereitete bereits die
Sprengung vor. Gerade noch im letzten Augenblick konnte Entwarnung gegeben
werden und der „Seeadler“ war gerettet.
Nachdem
die Blockade durchbrochen war, ging es Richtung Äquator, zu den großen Handelsrouten
zwischen Amerika und Europa. Am 17. Jänner 1917 war es dann so weit: das erste
Schiff, der englische Frachter „Gladis Royal“ wird angegriffen, geplündert und
versenkt, die Mannschaft gefangen genommen. In den kommenden Monaten ging es
Schlag auf Schlag, ständig wurden weitere Schiffe gekapert, versenkt und die
Mannschaften gefangen genommen. So groß die Erfolge auch waren, so wurden doch
die Gefangenen immer mehr zum Problem. Man hatte sie stets gut behandelt, es
waren sogar Freundschaften entstanden, schließlich waren auch die Feinde
Seeleute und liebten die See (und solches verbindet über alle Feindschaft
hinweg). Nun aber musste man die Gefangenen irgendwie loswerden, Platzmangel
machte diese Maßnahme notwendig. Dazu hatte man den Plan gefasst ein weiteres
Schiff zu entern und dann den Gefangenen zu übergeben, damit diese einen Hafen
anlaufen konnten. So geschah es auch. Am 21. März wurde ein französisches
Schiff aufgebracht, die Masten gekürzt, damit es langsamer wurde und die 200
Gefangenen freundschaftlich auf dieses verabschiedet. Doch nun hatte sich das
Blatt gewendet, in wenigen Tagen oder vielleicht Wochen würde die „Seeadler“
vom Jäger zum Gejagten werden, sobald die ehemaligen Gefangenen Land erreicht
hätten.
Luckner
plante in den Pazifik zu entkommen und segelte um Kap Hoorn. Die Umseglung war
äußerst schwierig und dauerte sehr lange – heftige Stürme ließen lange Zeit
kaum ein Vorankommen zu. Als der Pazifik dann endlich doch erreicht wurde,
griff Luckner zu einer List: Er ließ allerhand Kisten und Ausrüstung mit der
Aufschrift „Seeadler“ über Bord werfen, damit der Feind annehmen würde, das
Schiff sei gesunken. Die Täuschung funktionierte: der englische Funk meldete
das Schiff sei bei Kap Hoorn gesunken. Allerdings glaubte auch die deutsche
Marine and den Untergang des Schiffes und schrieb die „Seeadler“ ab.
Die
Fahrt im Pazifik kostete alle Kräfte der Männer. Bald war der Proviant fast
aufgebraucht, das Trinkwasser war faulig geworden und der Skorbut breitete sich
aus. Da, am 8. Juni, wurde der amerikanische Kohlesegler „Manila“, der aus
Sydney kam, gesichtet und geentert. Leider waren kaum Vorräte an Bord, so dass
die Mannschaft nun, erweitert um 30 Gefangene, dringend eine Insel finden
musste. Auf anraten des gefangenen amerikanischen Kapitäns wurde die Insel
Mopelia angelaufen (ein kleines Eiland der Gesellschaftsinseln, das gerade
einmal 18 Quadratkilometer umfasste). Dort kamen sie Anfang August an. Die
Insel wurde für Deutschland in Besitz genommen und Luckner machte sich selbst
zu ihrem Gouverneur.
Dann
ereignete sich eine Katastrophe: Durch Unachtsamkeit des 3. Wachoffiziers lief
das Schiff, als der Großteil der Mannschaft und Gefangenen an Land war, auf das
Riff der Insel auf uns sank. Es hätte nun den Vorschriften gemäß einen Kriegsgerichtsprozess
mit anschließender Erschießung des verantwortlichen Offiziers geben sollen,
doch Luckner lehnt dies ab. Er erfindet eine Legende, wonach das Schiff durch
eine Flutwelle, die durch ein Seebeben ausgelöst worden sei, untergegangen wäre
und schwört alle Männer darauf ein. Bis an ihr Lebensende haben alle
Besatzungsmitglieder an diesem Schwur festgehalten.
Wie
sollten die Männer nun von der Insel wieder wegkommen? Luckner hatte einen
verwegenen Plan. Er schiffte sich auf einem erhaltenen gebliebenen Beiboot mit
einer Handvoll Männer nach Westen ein, derweil sollte die Mannschaft auf
Mopelia ausharren, bis Luckner deren Rettung organisiert hätte. Am 5. September
überschwemmt eine Flutwelle die Insel und vernichtet den Proviant und die Ausrüstung,
die noch verblieben war. Zum Glück lief kurz darauf ein französischer Segler
Mopelia an, um Kopra an Bord zu nehmen. Nichts ahnend ankerte das Schiff und
wurde sogleich von den Deutschen überfallen und beschlagnahmt. Mit diesem
Segler erreichten sie die Osterinsel, wo sie erneut Schiffbruch erlitten. Erst
ein Frachtschiff brauchte die Männer nach Chile, wo ihre Reise ein Ende fand.
Und
was geschah mit Luckner? Er und seine Männer machten eine 4000 Kilometer lange
Odysee im Südpazifik durch, bis sie endlich, völlig erschöpft und dem
Verdursten nahe auf den Fidschi-Inseln strandeten. Luckner geriet in
neuseeländische Gefangenschaft. Die Maori auf Neuseeland machten ihn kurz
darauf zu ihrem Häuptling. Luckners gewinnende Art und sein Charisma zahlte sich
offenbar auch bei den „Wilden“ aus.
Das
weitere Leben Luckners
Nach
dem Krieg wurde Luckner zu einem Volkshelden, der zahlreiche Bücher
veröffentlichte, darunter auch der „Seeteufel“, sein Hauptwerk. Seine Gabe
Menschen leicht für sich zu gewinnen und seine Erzählkunst, verschaffte ihm ein
großes Publikum. Seine Heldengeschichten waren gefragt in einer Zeit, als man
noch unter dem Trauma des verlorenen Krieges litt und sich nach Größe und nach
Helden sehnte. Ähnlich wie andere großartige Geschichtenerzähler, wie etwa Luis
Trenker, vermischte er Wahrheit und Dichtung sehr geschickt miteinander und bis
heute ist es teilweise schwer das eine vom anderen zu trennen. Luckner war ein
sehr leutseliger Mensch mit einem starken Hang zum Entertainer. So ist er unter
anderem auch für allerhand Taschenspielertricks bekannt, mit denen er
Menschengruppen zu unterhalten wusste.
Zwar
war Luckner noch immer bei der Marine, doch seine Vorträge im ganzen Land
nahmen derart viel Zeit in Anspruch, dass er kaum mehr einer anderen Tätigkeit
nachgehen konnte. Bald führte ihn diese Tätigkeit auch in die USA wo er schnell
große Popularität erlangt. Als es 1933 in Deutschland zum Machtwechsel kam,
arrangierte sich Luckner zuerst mit dem Regime, geriet jedoch später in
Ungnade. Eine wesentliche Rolle spielte Luckner bei der Rettung der Stadt Halle
an der Saale. Dank seiner Vermittlung konnte eine Zerstörung der Stadt durch
die Amerikaner verhindert werden. Luckner wurde daraufhin sogar zum Ehrenoberst
der US-Armee ernannt. Nach dem Krieg lebte Luckner in Westdeutschland, wo er
weitere Bücher veröffentlichte. Die Gesamtauflage seiner Werke erreicht viele
Millionen Stück.
Nach
dem Krieg wurden ihm im In- und Ausland unzählige Ehrungen zuteil, darunter
1953 das Große Verdienstskreuz der Bundesrepublik Deutschland. Luckner
starb am 13. April 1966 im schwedischen Malmö, wo er mit seiner zweiten Frau
gelebt hatte. Seine Beerdigung fand unter großer, Anteilnahme, auch von
offizieller Seite, in Hamburg statt.
Euer
Sokrates
Photoquelle:
Wikipedia
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