Jeder
hat schon einmal vom „Bermuda-Dreieck“ gehört, jenem Seegebiet das ein Dreieck
bildet zwischen der Ostküste Floridas, den Bermuda-Inseln und Puerto Rico,
indem seit Jahrhunderten Schiffe und Flugzeuge auf unerklärliche Weise
verschwunden sind (für alle, die aus Wien sind oder sich in Wien auskennen:
Hier ist nicht der Vergnügungsbezirk im ersten Wiener Gemeindegebiet gemeint!
Obwohl man auch dort gut verloren gehen kann). Weniger bekannt hingegen ist ein
Seegebiet südöstlich von Japan, das in der Region seit ewigen Zeiten als
„Teufelssee“ bekannt ist, auf denselben Breitengraden wie das Bermuda-Dreieck
liegt und in dem angeblich ähnlich Phänomene, wie vor der amerikanischen
Ostküste zu beobachten sind. Ja, es heißt sogar, die Vorgänge dort wären noch
weitaus mysteriöser und hätten weitaus noch mehr Menschenleben gekostet. Was
ist dran an diesen Legenden und uralten Mythen, die die Menschen seit jeher
fasziniert und ihre Phantasie angeregt haben?
Stellen
wir uns vor ein großes Schiff, das scheinbar unsinkbar über die sieben Weltmeer
fährt, verlässt einen Hafen, gibt regelmäßig seine Position durch, nähert sich
dann seinem Zielhafen, meldet, dass alles in Ordnung sei und man in wenigen
Stunden einlaufen würde und dann verliert sich jede Spur. Das Schiff kommt
niemals in seinem Bestimmungshafen an, Suchmannschaften werden ausgeschickt,
ein erheblicher Aufwand wird zu Wasser und zu Luft betrieben um Überlebende zu
finden, doch trotz wochenlanger Suche bleiben alle Versuche erfolglos.
Letztlich geben die Behörden eine Pressekonferenz, Journalisten stellen
allerhand Fragen, die ausweichend oder allgemein beantwortet werden, trauernde
Angehörige flimmern über unsere Bildschirme und im Netz rotten sich schon die
Verschwörungstheoretiker zusammen um allerhand krude Geschichten zu schmieden,
was mit dem verschollenen Schiff geschehen sein mag. Fragen über Fragen und
kaum Antworten. Das ist die Grundlage aller Legenden! Dadurch unterscheidet
sich unsere Zeit nicht von anderen. Man denke etwa an die noch immer
verschollene Maschine der Malaysian Airlines, die im südlichen Indischen Ozean
vermutet wird oder an die Geschichten, die um die 2014 über der Ukraine
abgeschossene Passagiermaschine auf dem Flug von Amsterdam nach Kuala Lumpur
kursieren. Dichtung und Wahrheit liegen oft genug sehr eng beieinander und
immer ist es dasselbe Rezept, das für derartige Spekulationen bereitsteht: ein
Mangel an Fakten und eine ungebändigte Phantasie, die die eigenen
Weltanschauung widerspiegelt.
Doch
wie verhält es sich nun mit dieser so genannten „Teufelssee“, jenem Gebiet, das
erstaunlicherweise, aufgrund der in den letzten Jahrzehnten verschwundenen
Schiffe und Flugzeuge ein Dreieck bildet, wie das allseits bekannte
Bermuda-Dreieck?
Seit
vielen Jahrhunderten berichten japanische Fischer von der „Teufelssee“, die
zwar einerseits aufgrund ihres Fischreichtums sehr anziehend ist, auf der
anderen Seite überdurchschnittlich viele Schiffe auf unerklärliche Weise zum
sinken gebracht hat. Je intensiver die Schifffahrt wurde, desto mehr Fälle
wurden auch gemeldet: Frachter, Militärschiffe, Küstenwacheboote und einfache
Fischerboote und Yachten, sowie Flugzeuge verschwinden, ohne dass es eine Spur
von ihnen gäbe – nicht einmal Wrackteile, Ölflecke oder dergleichen. Japanische
Fischer bereichten seit jeher von Seeungeheuern, Riesenwellen, plötzlich
umschlagendem Wetter und dergleichen, doch gibt es Fakten, die darauf
hindeuten, dass hier nicht alles mit „rechten Dingen zugeht“?
Im
Dezember 1944 beschoss die US-Navy die Philippinen, um die Landung von
US-Soldaten vorzubereiten, die unter General Douglas MacArthur die Inseln von
den Japanern zurückerobern sollten. Die Schiffe mussten nach drei Tagen aufgetankt
und neu formiert werden; dabei ereignete sich eine Katastrophe: Ein riesiger
Taifun erreichte die Flotte (die 18. Task Force), bereitete den Seeleuten die
„Hölle auf Erden“ und kostete 765 US-Marine-Soldaten den Tod. Viele berichteten
es wäre schlimmer gewesen als die Kamikazeangriffe der Japaner. Es war mit
Sicherheit ein traumatisches Erlebnis für die US-Navy und seither wird der
Pazifik wettertechnisch genau überwacht, um solche Ereignisse in Zukunft zu
verhindern.
Auch
was die US-U-Boote des Zweiten Weltkriegs angeht, so gibt es sehr viel
Unbekanntes. So verschwanden etwa ein Fünftel der Boote auf unerklärliche Weise
und zwar genau in dem als „Teufelssee“ bekannten Gebiet. Auch die Japaner hatten
unzählige Verluste in diesem Areal, ohne dass es dafür eine Erklärung, wie
etwas Abschuss durch den Feind, gäbe. All diese Ereignisse haben seit langem
eine Menge an unorthodoxen Erklärungen befeuert.
Auch
in den kommenden Jahrzehnten verschwanden immer wieder Schiffe auf
unerklärliche Weise (keine Notrufe, keine Wrackteile) und in zunehmendem Maße
auch Flugzeuge – so etwa ein US-Truppentransporter, der 1957 vom Wake-Island
nach Tokio unterwegs war, aber etwa 200 Meilen vor Tokio plötzlich verloren
ging, ohne, dass je eine Spur von dem Flugzeug gefunden worden wäre.
Bis
heute weiß die Navy, dass dieses Seegebiet irgendwie „seltsam“ ist, genauso wie
das berüchtigte Bermuda-Dreieck. Es ist nicht alleine die Zahl der
verschwundenen Luft- und Wasserfahrzeuge, sondern vor allem die Art und Weise,
wie diese verschwanden, die die offiziellen Stellen stutzig macht – freilich
ohne etwas davon an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Objekte tauchen am
Radarschirm auf, die es gar nicht gibt, Unbekannte Unterwasserfahrzeuge (USOs),
ebenso wie unbekannte Flugobjekte (UFOs) scheinen aus den unendlichen Tiefen
(bis zu 11000 Metern!) plötzlich zu erscheinen, Schiffe zu umkreisen, um dann
im Weltraum zu verschwinden, und dergleichen wurden oft berichtet.
Einer
der prominentesten Fälle in der jüngeren Vergangenheit war der Untergang des
Riesenfrachters „Derbyshire“ am 9. September 1980. des größten britischen
Schiffes, das jemals auf See untergegangen ist. Die „Derbyshire“ war mit
Eisenerz beladen, als sie etwas 230 Meilen östlich vor Okinawa am 8. September
1980 ihr letztes Lebenszeichen von sich gab. Der Frachter war erst vier Jahre
alt und damals auf dem neuesten Stand der Technik. Zweimal so lang wie die
„Titanic“, mit 44 Mann Besatzung, meldete sie zwar stürmisches Wetter, doch der
Frachter galt als „unsinkbar“ und so meldete der Kapitän, dass er allenthalben
ein wenig Verspätung haben würde, ansonsten sei nichts zu befürchten. Doch das
Schiff kam niemals an und blieb verschollen, ohne einen Notruf abgesetzt zu
haben. Trotz einer intensiven Suchaktion wurden keinerlei Überreste gefunden,
geschweige denn ein Besatzungsmitglied gerettet.
Allerhand
kontroversielle Vorstellungen beherrschen heute die Diskussion, von Ungeheuern,
unterirdischen Städten, Kräften aus dem Erdinneren, bis zu Außerirdischen, die
auf dem Meeresgrund Basen betrieben und sogar Übergängen zu anderen
Dimensionen, in die die verschollenen Schiffe und Flugzeuge entführt worden
sein sollen. Solche Dinge mögen die Science-Fiction-Autoren zu wunderbaren
Romanen anregen, doch von einem rationalen Standpunkt aus haben wir für keine
dieser Überlegungen irgendeinen Hinweis.
Wie
sehen die Fakten aus?
Tatsache
ist, dass es sich bei jenem maritimen Areal südlich uns östlich von Japan um
ein sehr stark befahrenes Seegebiet handelt, die Routen von Asien nach
Nordamerika führen hier hindurch. Schon seit dem 16. Jahrhundert war diese die
Route der Spanier bekannt, die von Acapulco in Mexiko zu ihren Besitzungen auf
den Philippinen fuhren (und meist auf Guam – der südlichsten und größten
Marianeninsel – einen Zwischenstopp einlegten).
Wie
bei den Bermudas handelt es sich bei der so genannten „Teufelssee“ um ein Gebiet
etwa im Bereich des nördlichen Wendekreises, ein Seeterritorium, das für die
Entstehung von Taifunen prädestiniert ist. Auch befindet sich das Gebiet im
Bereich es „Pazifischen Feuerrings“, jenes plattentektonischen Phänomens, das
für etliche Erdbeben überall um den Pazifik herum sorgt. Die vulkanische
Tätigkeit ist sehr stark und oft gibt es Seebeben und Ausbrüche, die sich in
riesigen Wasserfontänen äußern, die auch große Schiffe mit Leichtigkeit zum
Untergang bringen können.
Oft
wird bei der Erklärung von unerklärlichen Schiffsuntergängen die Möglichkeit
von Tsunamis ins Feld geführt, doch diese Erklärung kann als falsch betrachtet
werden. Tsunamis richten auf See kaum Schäden an (auch wenn sie bis zu 500
Meilen Geschwindigkeit – vor allem am Seegrund – erreichen können); sie sind
gefährlich für die Küste, nicht für Wasserfahrzeugen auf See, egal ob auf oder
unter der Wasseroberfläche. Die Länge von Tsunamiwellen macht es unwahrscheinlich,
dass ein Schiff dadurch zum Sinken gebracht wird. Schiffe heben sich durch
Tsunamis langsam und senken sich auch dementsprechend wieder, die verheerende
Wirkung entfaltet sich erst an Land durch die enormen Wassermassen, nicht so
sehr durch die Höhe der Wellen (wie oft fälschlicherweise angenommen wird). Die
Tsunamis vom 26. Dezember 2004 im Indischen Ozean und aim März 2011 (jetzt ist
es gerade fünf Jahre her), haben der ganzen Welt die zerstörerische Wucht und
Wirkung von Tsunamis vor Augen geführt – die Schäden entstanden aber alle an
den Küsten, nicht auf See selbst!
Der
Fall der „Derbyshire“ wurde 14 Jahre nach ihrem Untergang gelöst. Das Schiff
wurde etwa 2,5 Meilen unter der Meeresoberfläche von einem Tauch-Uboot
ausfindig gemacht: es war in drei Teile zerbrochen. Später stellte sich heraus,
dass ihre Konstruktionsweise nicht auf Riesenwellen eingestellt war – ihre
beiden Schwesternschiffe sanken ebenfalls in schweren Stürmen. In der Folge
wurden die Konstruktionsanforderungen an Riesenschiffe geändert, ein Standard,
der heute für alle Schiffe gilt. Es setzte sich nämlich die Ansicht durch, dass
Größe alleine noch nicht genügt, es muss dazu auch ein bestimmtes Verhältnis
zwischen der Länge von Welle und derjenigen der Schiffe bestehen. So erstaunlich
es nämlich lange Zeit klang: Schiffe können gerade wegen ihrer Größe (einer
bestimmten Größe wohlgemerkt) leichter Opfer von Riesenwellen werden, als
kleiner Schiffe, die einfach zwischen den Wellen hindurchtauchen können. Der
Fall der „Derbyshire“ kann nicht mehr weiter als mysteriös gelten – die
wissenschaftlichen Grundlagen wurden inzwischen mehrfach bestätigt, die zum
Untergang des Schiffes führten.
Je
mehr Mysterien aufgelöst werden, desto besser können wir die Zukunft
beherrschen, desto mehr Menschenleben können gerettet werden.
Trotz
aller wissenschaftlicher Fortschritte sind wir weit davon entfernt alle
Unglücksfälle zu erklären. Wer an das Mysterium glauben möchte, lässt sich
durch solche Erklärungen ohnehin nicht von seiner Meinung abbringen. Und
ehrlich gesagt, ist keiner von uns in der Lage mit Sicherheit zu beweisen, dass
es so etwas wie ein Mysterium nicht gäbe. Die Welt ist eben doch viel
komplexer, als es sich die Wissenschaft vorzustellen vermag. Und genau darin
liegt die Quelle für die Neugierde, die im 21. Jahrhundert noch immer genährt
werden kann, wie in allen vergangenen Zeiten der Menschheit auch. Und genau das
sollte uns Hoffnung geben und gleichzeitig Ansporn sein das Unbekannt auch in
der heutigen Zeit noch zu erforschen. Die Arbeit geht uns mit Sicherheit nicht
aus. Wollen wir passive Beobachter sein oder wollen wir aktiv an der
Erforschung des Unbekannten teilnehmen? Die Beantwortung dieser Frage liegt
ganz bei uns!
Euer
Sokrates
Photos:
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