Narzissmus ist etwas, das im Verhalten von Menschen, vor allen in der
westlichen Kultur, nicht selten zu beobachten ist. Ja unsere Gesellschaft
fördert bis zu einem gewissen Grad narzisstische Bestrebungen, denn ohne sie
ist ein Fortkommen kaum möglich, so glaubt man zumindest. Was passiert aber,
wenn der Narzissmus die gesamte Persönlichkeit bestimmt, wenn es daneben nichts
anderes mehr gibt und die Person ein echter Narzisst geworden ist? Dann spricht
man von der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung – davon handelt dieser
Artikel.
Was versteht man unter einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung? Die
von der WHO herausgegebene Internationale statistische Klassifikation der
Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) fordert für die
Klassifizierung der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung (neben den
allgemeinen Voraussetzungen für Persönlichkeitsstörungen) mindestens fünf der folgenden
Punkte:
- Sich selbst
für grandios halten, die eigene Wichtigkeit enorm übersteigern
- Ist von
starken Phantasien (Macht, Geld, Erfolg, Schönheit etc.) beherrscht
- Glaubt an die
eigene Einzigartigkeit, die weit über das Normalmenschliche hinausreicht
- Hängt
exzessiv von der Bewunderung anderer ab.
- Extrem hohe
Ansprüche stellen, verlangt Sonderbehandlungen
- Ausbeuterisch
in zwischenmenschlichen Beziehungen. Andere Menschen sind Quellen, um zu
überleben, um die anderen selbst geht es überhaupt nicht.
- Eklatanter
Mangel an Empathie (im Extremfall gar nicht vorhanden)
- Empfindung
von sehr großem Neid oder der Glaube andere seien neidig auf einen
- Arroganz,
Hochmut
Wie sieht nun konkret das Verhalten eines Narzissten (im pathologischen
Sinne) aus? Narzissten haben ein Selbstbild, das auf eigene Grandiosität und
Unbesiegbarkeit, Allmacht oder Allwissenheit aufbaut. Sie vermeiden es aber
diese von ihnen behaupteten Qualitäten unter Beweis zu stellen. Der Narzisst
ist darüber erhaben, Beweise liefern zu müssen. Er vermeidet den Wettbewerb und
stellt sich als über solche Dinge erhaben dar. Der Narzisst betrachtet andere
als Quellen für sein Leben, die er nach Belieben ausbeuten kann, da diese ihm
eine Art „Tribut“ schulden, ohne, dass er dafür in irgendeiner Weise eine
Gegenleistung zu erbringen hätte. Er ist oft sadistisch veranlagt, verwendet
den Sadismus aber mehr dazu andere willfährig zu machen, nicht, weil er Freude
am Schmerz des anderen empfindet, so wie der reine Sadist. Andere Menschen sind
Objekte, keine Subjekte, haben sie ihre Aufgabe erfüllt, werden sie „entsorgt“
und durch andere Quellen ersetzt. Der Narzisst hat keine echte Bindung zu
anderen Menschen und trauert auch nicht um andere, selbst wenn sie sterben
sollten. Die Körpersprache des Narzissten ist dominant, arrogant, erhaben, er
versucht sich überlegen darzustellen, vermeidet echten Körperkontakt, kann aber
oft sehr lange Augenkontakt halten, dabei behält er aber immer eine Distanz zu
anderen, er ist nie verbindlich. Er spielt soziale Verbundenheit vor, ist aber
zu Teamarbeit unfähig und spielt den Intellektuellen, den Professor, derjenige
in der Gruppe, der niemals emotional eingebunden ist, sondern alles aus einer
überlegenen Position heraus analysiert. Das gibt ihm das Gefühl über anderen zu
stehen. Darauf angesprochen gibt der Narzisst vor über großen Gleichmut zu
verfügen, ein kühler Kopf zu sein und dergleichen. In Wahrheit jedoch ist ein
Narzisst ein sozialer Idiot, dem Empathie völlig fehlt, auch wenn er oft
charmant sein kann und anderen Mitgefühl und Anteilnahme vorspielen kann. Der
Narzisst ist ein Opportunist, er investiert Gefühle immer nur, um von anderen
etwas zu bekommen, nie weil ihm am Wohl der anderen etwas liegt.
Narzissten verlangen meist eine Sonderbehandlung, bessere Konditionen
als andere, bessere Plätze im Restaurant, bevorzugte Behandlung und wollen
meist mit Chefs, nicht mit Angestellten reden, das wäre unter ihrer Würde, so
glauben sie. Der Narzisst übernimmt keine Verantwortung für sein Leben, sein
Unwohlsein führt er auf das Verhalten der anderen, der Welt, auf die unguten
Umstände und Zeiten in denen er lebt zurück. Er gibt sich als der „einsame
Wolf“, dessen Idee irgendwann von der Geschichte anerkannt werden würden. Er
gibt vor eine Art Genie zu sein, aber die Welt sei zu „dumm“ dies zu erkennen.
Gewöhnliche Tätigkeiten sind ihm verhasst, Routine lehnt er ab, er braucht
Unterhaltung. So besitzt er auch kein Durchhaltevermögen und kann keine
langfristigen Pläne fassen. Narzissten idealisieren andern und werten sie dann
hinterher ab. Sie loben, wen sie brauchen für ihr übergroßes Bedürfnis nach
Ansehen und Bewunderung. Haben sie den anderen aber „ausgesaugt“, dann wendet
sich der Narzisst brutal ab und lässt den anderen mit seinem Leid alleine.
Narzissten sprechen manchmal von sich selbst in der dritten Person, sie
sprechen von ihrem Leben wie vom Leben eines anderen. Sie denken viel, wobei
die Gedanken immer nur um sie selbst kreisen, doch fühlen sie nicht, sie sind
emotional verkrüppelt. Sie sehen ihr Leben wie in einem Film ablaufen, wobei
der Film meist einem Alptraum gleicht, aber der Narzisst fühlt den Schmerz
nicht, er ist dissoziiert, lebte fast wie außerhalb von seinem Körper. Seinen
Körper empfindet der Narzisst als ein Werkzeug, dass er verwenden kann, aber er
hat kein echtes Integrationsgefühl, der eigene Leib ist wie etwas Fremdes für
ihn, das wahre Selbst, so meint er, sei viel edler und über solche Dinge, wie
Materie erhaben. Der Narzisst hat eine Meinung von sich selbst, die mit der
Realität nicht übereinstimmt, er schmückt sich oft mit fremden Lorbeeren und
macht die Leistungen anderer herunter, um selbst besser dazustehen. Dabei
wertet er nicht unbedingt offensichtlich ab, sondern er kann anderen ein
peinlich übertriebenes Lob aussprechen, das im Effekt wie eine Beleidigung
wirkt – genau das, was der Narzisst in Wahrheit möchte.
Narzissten leiden an Aufmerksamkeitsdefiziten, sie leben meist nur in
ihren eigenen Gedanken und nehmen in der Umwelt nur das wahr, was sie gerade
brauchen, um etwas zu erreichen. Andere Menschen an sich sind ihnen
gleichgültig. Sie meiden Menschen, die Probleme haben, um nicht um Hilfe
gefragt zu werden. Um Hilfe zu bitten ist für den Narzissten erniedrigend. Doch
er ist völlig abhängig von anderen, hat viel weniger Selbständigkeit, als
normale erwachsene Menschen, deshalb muss er andere in Situationen bringen in
denen er berechtigt ist von ihnen etwas zu fordern, ohne dass es so aussieht,
als wäre der Narzisst bedürftig. Narzissten rationalisieren und idealisieren
ihr Leben, ihre Fehlschläge werden der Umwelt zugeschrieben, sie selbst bleiben
perfekt, auch wenn sie nichts leisten. Narzissten haben kaum persönliche Grenzen
und können so auch jene anderer Menschen nicht respektieren, für sie ist jeder
andere eine potentielle Quelle für ihre narzisstische Versorgung und der
Narzisst sieht auch gar keinen Grund, warum nicht jeder andere bereitwillig für
ihn (kostenlos) zur Verfügung stehen soll. Er fühlt sich berechtigt von der
Welt alles zu fordern, ohne etwas zurückzugeben. Er ist ein Mensch, der nur
nimmt und nichts zurückgibt!
Narzissten sind meist sehr reaktiv, sie sind todernst und vertragen
keine Scherze über sich. Sie selbst sind oft zynisch und sarkastisch gegenüber
anderen, dulden aber nicht den kleinsten Scherz über sie selbst. Sie sind
aufbrausend und geraten sehr leicht in Rage über Dinge, die bei einem gesunden
Menschen höchstens zu einer kleinen Unstimmigkeit führen würde. Der Narzisst
hat auch das Gefühl nicht menschlich zu sein, mehr eine Art höheres Wesen, das
auf die Erde gekommen ist, um die einfachen Menschen zu studieren. Er fühlt
sich ständig missverstanden. Oft sind sie paranoid, schizoid, antisozial und
nicht selten selbstzerstörerisch, Süchte und Perversionen kommen bei ihnen oft
vor. Narzissten peinigen aber meist nur den engen Kreis ihrer Familie und ihres
sozialen Netzes, eben jene Quellen, aus denen sie ihre Versorgung beziehen. Für
die Umwelt sehen solche Menschen meist recht normal aus, vielleicht mit kleinen
Abweichungen. So täuscht der Narzisst die ganze Welt, meist sein ganzes Leben
lang.
Narzissten sehnen sich oft nach Halt und finden den etwa in einer
Religion oder einer strickten Ideologie. Sie unterwerfen sich dann und
gehorchen den Regeln einer Institution strickt. Narzissten können nicht
wirklich reife Entscheidungen treffen und sind sehr leicht verführbar von
totalitären Systemen. So sind der Nationalsozialismus und der Kommunismus für
Narzissten sehr attraktiv, denn so brauchen sie nicht zu denken, unterwerfen
sich strickten, absoluten Regeln und gelten trotzdem als erwachsene Menschen.
Die Welt des Narzissten besteht im Grund nur aus der Phantasie, sie leben nicht
in der Realität, diese auszuhalten würde einem kompletten seelischen
Zusammenbruch gleichkommen. Die Distanz zwischen sich und der Welt ist
überlebenswichtig für sie. Bei Problemen driften diese Menschen in die
Phantasiewelt ab. Narzissten sind wie Kinder, sie brauchen andere um ihre Ziele
zu erreichen. Typisch ist auch, dass sie bei Frust die Ursache dafür vernichten
wollen. Narzissten haben kein privates Selbst. Während die meisten Menschen in
der Gesellschaft bestimmte Rollen spielen (Beruf, Alltag, Nachbarschaft,
Gemeinde, etc.) gibt es doch einen reservierten exklusiven Bereich für die
Familie und Freunde. Narzissten haben so etwas nicht, sie sind immer die
gleiche Rolle, ihr Leben spielt sich auf einer Bühne ab und sie stehen ständig
unter Beobachtung (meist von ihren Eltern durch das übergroße Über-Ich). Sie
glauben die normalen Regeln und Gesetze gälten für sie nicht. Tatsächlich ist
„Normal-Sein“ für Narzissten etwas der schlimmsten Dinge, die sie sich
vorzustellen vermögen.
Was die Sexualität betrifft, so ist diese bei Narzissten hochgradig
gestört. Der Narzisst sehnt sich zwar nach nichts so sehr, wie nach Liebe, doch
seine Unfähigkeit zu Intimität verunmöglicht ihm eine gesunde Beziehung. So
verwendet der Narzisst andere nur zum eigenen Lustgewinn, der Partner ist ein
Objekt und Sex nur dazu da sein körperliches Bedürfnis zu befriedigen, egal was
er auch sagen mag, mag er noch so charmant und „einfühlsam“ wirken, im Grunde
geht es dem Narzissten um nichts anderes, als Sex zur Befriedigung seiner
narzisstischen Bedürfnisse zu verwenden. Er ist nie demokratisch, kann den
Partner nie als Menschen akzeptieren, fordert Bewunderung, Anbetung (manchmal
unter Anwendung von Sadomasochismus, um den Partner willfährig zu machen).
Narzissten sind autoerotisch, nichts turnt sie mehr an, als sie selbst. Auch
für Inzest sind sie sehr anfällig, denn ihre eigene Familie ist ihnen selbst
(genetisch) am ähnlichsten. Sexuelle Perversionen und Paraphilien sind häufig.
Der Narzisst ist ein Versager, ein Verlierer, doch dies hindert ihn nicht
daran an seine „Mission“ zu glauben, daran, dass er zu Größerem bestimmt ist.
Zumindest glaubt er, dass er ein Anrecht auf ein leichtes Leben haben müsse.
Zwar ist er kein grundsätzlicher Gegner von harter Arbeit (Narzisst sein ist
selbst harte Arbeit), doch er lehnt es ab untergeordnete Tätigkeiten zu
verrichten, unter anderen zu „dienen“. Erniedrigung ist für den Narzissten noch
viel schwerer auszuhalten, als für andere Menschen, denn der Narzisst bezieht
all seine Selbstachtung nur von außen, er hat keine innere Quelle dafür.
Erniedrigung kommt für ihn einem Seelenmord gleich und bedroht seine ganze
Existenz. Er wird dann oft wie ein Tier in Lebensgefahr reagieren. Aufgrund der
mangelnden Selbstkontrolle können Narzissten leicht ausrasten und gewaltige
Aggressionen zeigen, die für das Umfeld völlig unverständlich sind. Ist der
Narzisst nicht mehr in der Lage seine innere Spannung zu kompensieren, kommt es
oft dazu, dass er sich aus dem Leben völlig zurückzieht und keinen Kontakt mehr
mit Menschen pflegt, die Welt ist für ihn ein gefährlicher Ort und scheinbar
hat sich alles gegen ihn verschworen. Verschwörungstheorien sind recht häufig
unter Narzissten anzutreffen. Manche werden schizoid arbeiten in
abgeschlossenen, abgedunkelten Räumen mit Computer und Büchern und pflegen
keine Sozialkontakte mehr. Der Narzisst kann trotz Fehlschlägen nicht mit
seinem Verhalten aufhören, da aus seiner Sicht sein ganzes Dasein an seinem
Verhalten hängt. Auch wenn er leidet, so hat er es sich doch gemütlich
eingerichtet in seiner Misere und Veränderung ängstigt ihn noch viel mehr als
das bekannte Leid.
Die Arroganz, die Abneigung gegen Routine und die Vorstellung zu allem
berechtig zu sein, verhindern, dass der Narzisst Erfolg haben kann, er ist
gesellschaftlich ein Idiot, selbst wenn er einen hohen IQ haben sollte. Dennoch
sind Narzissten im Grunde dumme Menschen und recht gut vorhersehbar. Sie sind
leicht zu manipulieren und werden oft Opfer von Betrug und Missbrauch. Auf der
einen Seite fühlt sich der Narzisst allen anderen überlegen, übermächtig und
bewundernswert, auf der anderen Seite aber spürt er seine Ohnmacht, seine
Hilflosigkeit anderen und der Welt gegenüber.
Der Narzisst ist kein erwachsener Menschen, sondern ein kleines Kind,
er ist niemals reif geworden er ist ein puer aeternus (Peter Pan, Dorian Grey).
Die Seele wurde in der Kindheit durch Traumata in einen Schockzustand versetzt,
so dass sie nicht mehr weiter wachsen konnte. Gleichzeit hat sich ein falsches
Selbst aufgebaut, das von nun an das Leben dominierte und allmählich zur ganzen
Persönlichkeit wurde.
Das Verhältnis zu anderen Menschen gestaltet sich für den Narzissten
sehr problematisch. Ein besonderes ist jenes zu den Eltern. Meist sind die
Eltern die Verursacher des Kindheitstraumas und nicht selten sind sie selbst
Narzissten oder Co-Narzissten (Narzissten, die von einem Narzissten abhängig,
co-abhänig, sind). Die Eltern sind die Quelle der Frustration, der Narzisst
weiß das und hasst seine Eltern oft aus ganzem Herzen, selbst wenn er sich um
sie kümmert und mit ihnen zusammenlebt. Sie sind ja die Ursache seines Traumas,
seiner Störung, seines verpfuschten Lebens. Aber Narzissten sind nicht frei von
ihren Eltern, sie sind an sie gebunden. Etwas Besonderes passiert, wenn die
Eltern sterben. Der Narzisst braucht lebende Eltern, um sie hassen zu können,
um ihnen Vorwürfe machen zu können, doch wenn sie sterben, verlassen sie ihn,
was soviel heißt wie, dass er eine Quelle seiner narzisstischen Versorgung
verliert. Für den Narzissten sterben seine Eltern nie, ihre Stimmen sind in
seinen Geist eingebrannt und verfolgen und kontrollieren ihn auch noch nach
ihrem Tod, meist bis zum Tod des Narzissten selbst. Sterben die Eltern, dann
wird der Narzisst selbst wieder zum Kind, er fühlt sich wie eine Waise, wieder
wurde er von den Eltern verraten.
Häufig kommt es vor, dass Narzissten nie von Zuhause ausziehen, sondern
ewig bei den Eltern bleiben (bis diese sterben), sie weigern sich erwachsen zu
werden und übernehmen keine Erwachsenenaufgaben (Beruf, Beziehung, Familie,
etc.).
Das Verhältnis zu Kindern ist ebenso problematisch. Kinder verhalten
sich wie Narzissten und das ist ein ganz normaler Teil der Entwicklung. Sie
kokettieren um Aufmerksamkeit, halten sich für charmant und unbesiegbar,
prahlen, tricksen und kommen damit durch, man verzeiht ihnen, ja oft werden sie
noch ermutigt, um ein gesundes Selbstwertgefühl zu bekommen. Der Narzisst ist
im Grunde ein solches Kind, nur er ist erwachsen, bei ihm wird dieses Verhalten
nicht mehr geduldet, er bekommt Probleme mit der Umwelt. Er hasst Kinder, er
ist neidig auf sie, weil er sich selbst in ihnen sieht. Sie dürfen, was er
nicht darf, sie bekommen, was ihm versagt wird. Neue Familienmitglieder werden
von vielen Narzissten abgelehnt oder sie versuchen diese zu manipulieren, um
von ihnen bewundert zu werden. In den ersten Lebensjahren darf ein Kind
fordern, doch je älter es wird, desto mehr erwartet auch die Umwelt als
Gegenleistung von ihm. Der Narzisst sieht dies niemals ein und bleibt ein Kind
und hält sich auch berechtigt dazu, sein Leben lang fordern zu dürfen, ohne
dass jemals etwas von ihm gefordert werden darf.
Der Narzisst hat keine echten Freunde. Er mag Bekanntschaften haben,
doch Freundschaft erfordert Empathie und eine solche ist bei einem echten
Narzissten kaum oder gar nicht vorhanden. Er nutzt Menschen aus, erkennt ihre
Schwächen, übervorteilt, ist unzuverlässig, hält sein Wort nicht – keine
Freundschaft kann so bestehen bleiben. Narzissten erkennen nie den Wert und die
Fähigkeit anderer Menschen, für sie sind sie immer nur Objekte, die verwendet
werden können, ganz nach belieben, ohne echten Wert.
In späteren Jahren werden viele Narzissten Geisteskrank oder begehen
unter bestimmten Umständen Selbstmord. Es ist für sie die einzige Art zu
überleben, die Realität kann nicht mehr ausgehalten werden. Ohne falsches
Selbst ist der Narzisst einem derartigen Übermaß an Schmerzen ausgesetzt, dass
er sich nicht mehr integrieren kann, er bricht psychisch völlig zusammen. Gewöhnlich
beendet der Narzisst sein Leben einsam, alleine und tief verbittert.
Der Kern des Narzissmus
All diese Betrachtung führen zur Fragen, was denn im Grunde im Zentrum
der Narzissmus steht. Welche Grundhaltung besteht im Kern der Persönlichkeit
eines Narzissten? Der Narzisst ist ein Mensch, der keine Ahnung hat, wer er
wirklich ist. Er kennt sein eigenes Wesen nicht. Das Selbst des Narzissten ist
ein großes dunkles Loch! Ein falsches Selbst ist so übermächtig (durch das
Über-Ich) geworden, dass es nicht einmal mehr einen Kampf mit dem echten Ich
gibt, denn dieses wurde in der Kindheit verkrüppelt und das falsche Ich hat die
Persönlichkeit eingenommen und vergewaltigt den Menschen nun permanent von innen
heraus. Dies wird aber vom Narzissten nicht erkannt, denn er ist mit dem
falschen Ich so vertraut, es ist ja sein Herr und Meister, dass er es für seine
wahre Persönlichkeit hält. Er kann die Falschheit nicht erkennen. Der Narzisst
ist ein Sklave, ein Sklave des falschen Ichs! Der Narzisst hat seine
Selbstverwirklichung und sein Erwachsensein zugunsten eines Sklaventreibers
(des falschen Selbst) aufgegeben. Depression, Hoffnungslosigkeit, Ohnmacht, die
der Narzisst immer wieder spürt, durch seine Unfähigkeit erwachsen zu sein. Er
empfindet große Scham, vor allem, wenn er sich mit Gleichaltrigen vergleicht,
die es zu etwas gebracht haben.
Der Ursprung von pathologischem Narzissmus liegt in Kindheitstraumata. Die
Dissoziation ergibt sich als Reaktion auf das Kindheitstraumas. Tief in
inneren hasst der Narzisst sich selbst und zweifelt zutiefst an sich. Das ist
auch der Kern der ganzen Persönlichkeitsstörung! Der Narzissmus ist eine Abwehr
gegen diesen tief liegenden Selbsthass! Narzissmus ist eine Form von
Posttraumatischer Belastungsstörung. Der Narzisst besitzt nicht seine eigene
Seele oder seinen eigenen Körper, diese sind ihm durch das falsche Selbst
genommen, dessen Sklave der Narzisst ist. Er hat keine Kontrolle über sich,
deshalb ist er auch verwundert, wenn er für etwas zur Verantwortung gezogen
wird, was er getan hat. Der Narzisst verliert sein Leben, mitsamt Vergangenheit
und Zukunft an das falsche Selbst. Der Narzisst ist voller
Minderwertigkeitsgefühle. Er weiß, dass er als erwachsener Mensch etwas leisten
sollte und kann es doch nicht, er ist ein Kind in Körper eines Mannes oder
einer Frau. Die Scham darüber ist grenzenlos. Der Narzisst findet zuweilen
heraus, dass er ein Sonderling ist und er bekommt es mit der Angst zu tun:
Angst davor, wie andere auf ihn reagieren und Angst davor, wie er selbst
reagiert (nachdem er ja nicht Herr über sich selbst ist).
Der Missbrauch von Kindern kann auf dreierlei Arten zustande kommen.
1.) Verhätschelung des Kindes (das Kind wird süchtig danach) 2.)
Vernachlässigung des Kindes 3.) eigentlicher Missbraucht (sexuelle, oder nicht
sexuelle, emotional, physisch). Sexueller Missbrauch ist nicht typisch für das,
was einem Narzissten in der Kindheit angetan wurde, sehr häufig jedoch ist der
emotionale Missbrauch. Missbrauchte Kinder internalisieren die Stimmen des
Missbrauchers. Ihr Leben verbringen sie damit Gegenstimmen dafür zu finden.
Eltern sind Vorbilder und Kinder lernen von ihnen im positiven wie im negativen
Sinne. Liebe lernen die Kinder von ihnen, sind die Eltern dazu nicht in der
Lage, hat das Kind wahrscheinlich die allergrößten Schwierigkeiten mit Liebe
und Intimität. Die Ursache für eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung liegt fast
nie in einem einzigen traumatischen Akt begründet, sondern in einer längeren
Serie von Missbräuchen (Süchtige Eltern, körperliche Züchtigungen,
Erniedrigungen etc.). Wenn Eltern Kinder missbrauchen, dann werden sie selbst
wieder zu Kindern, die versuchen mit ihrem eigenen Missbrauch umzugehen.
Therapie
Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung gehört zu den psychischen
Störungen, die am schwierigsten zu behandeln sind. Dies liegt vor allem daran,
dass der Patient süchtig von seiner Störung ist, er liebt sie im Grunde sogar.
In die Therapie kommt er nicht, um geheilt zu werden, sondern um mit den
Lebensschwierigkeiten besser umgehen zu können – kurz: um ein besserer und
erfolgreicherer Narzisst zu sein. Viele Therapeuten lehnen es ab Narzissten zu
behandeln aufgrund der schlechten Erfolge und der Unwilligkeit der Patienten,
zudem wird der Patient auch den Therapeuten erniedrigen, denn in seinen Augen
ist er ja selbst eine Art „Kollege“ und verfügt mindestens über dieselben
Fähigkeiten und dasselbe Wissen. Die meisten Narzissten lehnen eine
Psychotherapie vehement ab. Nicht selten kann nur die Intervention von außen,
zum Beispiel durch einen Gerichtsbeschluss, dazu führen, dass ein Narzisst
überhaupt an einen Therapeuten gerät. Narzissten geben ihre Krankheit meist nur
in großen Lebenskrisen zu und selbst dann fallen sie bald wieder in ihr altes
Verhaltensmuster zurück, auch wenn sie bereits einiges an Therapie hinter sich
haben.
Um an das wahre Selbst des Narzissten heran zu kommen ist sehr viel
Anstrengung nötig. Viele Therapeuten haben es völlig aufgegeben dieses
verkrüppelte Etwas hervorzukramen und dann damit zu arbeiten (das wahre Selbst
ist meist nicht älter als fünf Jahre). Sie versuchen viel mehr ein völlig neues
Selbst aufzubauen, ein neues wahres Selbst, mit dem der Patient besser in der
Welt leben kann. In der Therapie muss der Narzisst einem anderen Menschen
vertrauen, etwas, das er in der Regeln nicht kann. Er muss sich auch
„unterordnen“ und anerkennen, dass der Therapeut mehr weiß und besser in der
Lage ist ihm zu helfen, als er es selbst könnte. Er muss also die Überlegenheit
eines anderen anerkennen – wie schwer dies für den Narzissten ist, ist aus
diesem Text bisher bereits deutlich geworden. Der Narzisst wird von einem
enormen Über-Ich beherrscht, das seine gesamte Persönlichkeit durchdrungen hat,
ja im Bewusstsein des Narzissten seine Persönlichkeit ist.
Auch muss der Narzisst erkennen, dass er, wenn er gesund werden will,
sich mit der „Normalität“ des menschlichen Daseins anfreunden muss. Normal zu
sein ist für den Narzissten eine Erniedrigung, denn es heißt er muss so sein,
wie die anderen, denen er sich bisher immer überlegen gefühlt hat. Bei der
Therapie geht es darum, dass sich das wahre Selbst zeigen und entfalten darf
und dass das Über-Ich eingebremst und wenn möglich ersetzt wird, damit das
wahre Ich Kontrolle über die Persönlichkeit erlangen kann.
Am Anfang muss der Narzisst sich seiner selbst bewusst werden. Die
typischen Rationalisierungen müssen aufgeben werden, der Patient erkennt die
(erschreckende) Realität seines Leben. Dann beginnt der Narzisst sich selbst
realistischer zu sehen. Dies geschieht durch die Hilfe von anderen Menschen, in
dem diese ihm schonungslos und offen mitteilen, wie das Leben des Patienten
aussieht (Freunde, Bekannte, etc.). Der Narzisst gibt nun die Quellen seiner
Sucht (narzisstische Versorgung) auf. Dann ist der Patient so weit, dass er
sich auf die eigentliche Therapie einlassen kann, und zwar mit der Absicht
wirklich geheilt zu werden und nicht nur um ein „besser funktionierender
Kranker“ zu sein.
Die Gefühle des Narzissten sind „eingefroren“, in Wahrheit ist er nur
in einer Linie gebunden: an die Krankheit selbst, in sie investiert er all
seine emotionale Energie. Vorsicht ist auch dort gebunden, wo der Narzisst zwar
seine Störung zugibt, aber keine Verantwortung übernimmt, sondern nur die
Störung selbst für sein Leben verantwortlich macht. Der Narzisst auf dem Weg der
Besserung muss zugeben, dass die Krankheit durch ihn selbst verursacht wurde
und dass er auch dafür völlig gerade stehen muss. Das Verständnis der Störung
bringt noch keine Besserung. Es genügt nicht, dass der Patient über sie
Bescheid weiß. Echte Heilung kann nur dort geschehen, wo der Narzisst beginnt
wirklich zu fühlen, den Schmerz in sich zu spüren und auszudrücken und nicht
mit Worten zu „bewältigt“. Am Ende der Therapie ist der Narzisst im besten Fall
kein Narzisst mehr, sondern ein Mensch, der viele Jahre seines Lebens verloren
(geopfert) hat auf dem Altar eines Götzen (falsches Selbst). Er kann nun
trauern, erkennt, seine Unreife und kann in der Folge konstruktiv daran
arbeiten wirklich erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Er erkennt
dann seine Verwundbarkeit, aber er ist frei, frei sich selbst zu verwirklichen
und sein Schicksal zu erfüllen.
Als wirksame Therapieformen haben sich 12-Stufenprogramme, EMDR (Eye
Movement Desentizitation and Reprocession) und auch manchmal NLP herausgestellt.
Man darf nicht vergessen, dass der Störung Traumata zugrunde liegen, deshalb
sind gerade jene Methoden am ehesten Erfolg versprechend, die sich mit
posttraumatischen Stress und ebensolchen Störungen beschäftigen.
Auf diesem Blog wird in Zukunft einiges über den Umgang mit Narzissten
geschrieben werden, denn diese Fertigkeit zu besitzen ist heutzutage beinahe
unumgänglich, ist doch der moderne Mensch geradezu durch diese Charakterstörung
gekennzeichnet. Zuerst aber muss sich jeder selbst fragen, ob nicht er oder sie
selbst narzisstische Züge besitzt. Und sollte dem so sein, dann ist die
vordergründige Aufgabe diese mit Stumpf und Stiel zu beseitigen. Daran möge man
stets denken.
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