Samstag, 30. Januar 2016

Crash in der Südsee – was uns der South-Sea-Bubble heute noch lehren kann



 

Ein Sturm bricht los

Was war das doch für eine Aufregung an der Londoner Börse im Jahre 1720! Nach einem stürmischen Anstieg des Stars des Wertpapiermarktes der „South Sea Company“, kam es gegen Ende des Sommers zu massiven Verkäufen und einem unglaublichen Zusammenbruch. Unzählige verloren alles und waren bald völlig verarmt. Existenzen wurden vernichtet, Hoffnungen und Lebensträume zunichte gemacht.

 

Viele hochrangige Mitglieder der britischen Gesellschaft, allen voran der Adel und sogar der König, George I, hatte sich hinreißen lassen beträchtliche Summen in eine Gesellschaft zu investieren, deren Geschäftspraktiken höchst dubios waren. Nicht einmal das Genie Isaac Newton, der wissenschaftliche Superstar der damaligen Zeit, konnte sich zurückhalten und hatte sich beträchtlich engagiert. Auch er verlor im Zusammenbruch einen großen Teil seines Vermögens und bekannt wurde sein diesbezüglicher Kommentar: „Ich kann die Bewegung eines Körpers messen aber nicht die menschliche Dummheit.“

 

Eine neue Handelsgesellschaft

Die South Sea Company wurde bereits 1711 von drei Privatpersonen und der britischen Regierung gegründet. Von Anfang an sollte sie sich insbesondere mit dem Sklavenhandel beschäftigen und dabei vor allem Südamerika und noch unbekannte Gebiete bedienen. Seit 1701 tobte der Spanische Erbfolgekrieg und man erhoffte sich durch einen günstigen Ausgang des Krieges das Sklavenhandelsmonopol Spaniens zu brechen und sich in der Folge ein beträchtliches Stück dieses Kuchens abzuschneiden. Die Gesellschaft war also von vorne herein schon auf einer spekulativen Basis gegründet worden. Tatsächlich zog sich der Krieg noch bis 1713/14 hin und die erste Fahrt der Gesellschaft konnte überhaupt erst 1717 unternommen werden.

 

Viel Fantasie und wenig Fakten

Die Südsee beflügelte damit den Geist der wohlhabenden Europäer, ebenso wie der Abenteurer. Wenn man schon nicht selbst in die fernen Gefilde reisen konnte, so wollte man doch von den versprochenen neuen Handelmöglichkeiten profitieren. Rohstoffe aller Art, Wunderpflanzen, die in tropischen Gärten wachsen sollten und nicht zuletzt der Sklavenhandel schienen ungeahnte Chancen zu bieten, die man sich im Europa nicht entgehen lassen wollte. Und überhaupt: Wenn nicht Großbritannien zuschlagen würde, dann würden schon die Holländer, die Spanier und die Franzosen sich den Handel unter den Nagel reißen.

 

Die wirklich „großen“ Geschäfte machte die Gesellschaft aber nicht mit Sklavenhandel, sondern in der Übernahme der britischen Staatschulden in sehr großer Höhe (gleich zu Beginn bereits 9 Millionen Pfund), wofür sich die Gesellschaft das Recht erwarb ihr Kapital zu erhöhen (neue Aktien auszugeben). Sklavenhandel hatte bis dahin überhaupt noch nicht stattgefunden. Dann kam das Jahr 1720, das Schicksalsjahr der Company. Der Kurs stieg von etwa 100 Pfund (dem Nennwert) zu Jahresanfang bis auf knapp unter 1000 Pfund im Juli. Eine zeitlang konnte dieser unrealistisch hohe Kurs gehalten werden, doch die dunklen Wolken zogen sich bereits am Himmel zusammen. Dividende war noch keine bezahlt worden und das würde auch in Zukunft nicht geschehen können – doch das war noch nicht allgemein bekannt. Noch war kein einziger Penny im Südseehandel verdient worden. Inzwischen warfen die Insider ihre eigenen Anteile auf den Markt, der sie begierig aufnahm. Auf der Agenda der South Sea Company befanden sich einige fantasievolle Punkte wie „Import von Walnussbäumen aus Virginia“, „Verarbeitung von Quecksilber“ oder diverse Versicherungsgeschäfte (unter anderen konnte man Pferde versichern). Offenbar war man nicht daran interessiert sich auf ein bestimmtes Geschäftsfeld zu konzentrieren, sondern war bereit allen möglichen Wirtschafttätigkeiten nachzugehen – damals wie heute war das selten ein guter Businessplan gewesen.

 

Dann erließt das Parlament ein Gesetz (das später „Bubble Act“ genannt wurde, weil es den Anstoß zur Blase gab), das es Unternehmen verbot außerhalb ihres ursprünglichen Geschäftsfeldes aktiv zu werden, was vorerst zu einer gewaltigen Preissteigerung der Aktie der South Sea Company führte (das Gesetz sollte die Aktie auf hohem Niveau stabilisieren), denn damit hatte die Gesellschaft ein Monopol im Südseehandel erlangt. Endlich kam der 1. August, der Tag an dem die erste Dividende bezahlt werden hätte sollen. Alleine, die Gesellschaft konnte nicht zahlen. Noch blieben die Kurse jedoch hoch. Die „alten Hasen“ begannen nun ihre Anteile zu verkaufen, ebenso der König (er hatte offenbar gute Berater). Dann ging es Schlag auf Schlag: Der Kurs crashte, halbierte sich zweimal und stand zu Weihnachten wieder bei 100 Pfund. Aus war der Traum vom schnellen Geld! – eine Erfahrung, die Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten machen mussten.

 

Eine Ironie der Geschichte ist es, dass der Erzrivale Frankreich gerade (Ende 1719) seine eigene Spekulationsblase, samt Zusammenbruch, mit seiner „Mississippi-Companie“ erlebte. Darüber konnte man sich später in England freilich nicht mehr freuen, auch wenn es anfangs große Kapitalabflüsse von Frankreich nach England gab und den South Sea Bubble noch weiter entfachte, war es auch ein Schotte namens John Law, der wesentlich zum französischen Debakel beigetragen hatte.

 

Die Folgen des Debakels

Der Aufschrei im ganzen Königreich war gewaltig, die Wut über verlorenes Geld kannte keine Grenzen. Nicht nur der Adel, sondern wesentliche Teile des Bürgertums (in England gab es bereits eine Mittelschicht) waren massiv betroffen vom Zusammenbruch der South Sea Company. Man schrie nach Konsequenzen für die Verantwortlichen und verlangte Genugtuung. Wie immer wenn es ums Geld geht, kennen Menschen ja bekanntlich keinen Spaß mehr. Tatsächlich wurden einige der Verantwortlichen der Gesellschaft vor Gericht gestellt, verurteilt und zu Haftstrafen verurteilt. Andere entledigten sich der Verantwortung durch Selbstmord oder durch Flucht ins Ausland. Die South Sea Company selbst überlebte den Zusammenbruch und bestand noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts weiter, wenn sie auch nie mehr eine wesentliche Bedeutung erlangte. Die Kosten wurden von der East Indian Company und von der Bank von England getragen.

 

Damals wie heute

Man sieht, die Zeiten haben sich in manchen Bereichen gar nicht so sehr geändert, wie man glauben möchte. Die Märkte werden noch immer von Angst und Gier bestimmt und von Zeit zu Zeit erreichen diese derartigen Ausmaße, dass gewaltige Blasen sich aufbauen, auf die freilich ebenso gewaltige Zusammenbrüche folgen müssen.

 

Noch immer gelten die gleichen Zutaten, die für einen Börsenblase notwendig sind: vorhandenes Kapital,

euphorische Stimmung,

etwas „Neues“ (neue Geschäftsfelder, Technologie, Erfindungen, Entdeckungen etc.)

und Fantasie (die im Wesentlichen darauf beruht, dass es nicht möglich ist die Umsätze und Gewinne eines Unternehmen oder einer ganzen Branche realistisch einzuschätzen, weil es solche noch gar nicht gibt und noch keinerlei Erfahrung besteht).

 

Damals wie heute gilt auch, dass am Ende einer Blase es große Kapitalzuflüsse aus dem Ausland gibt. Während die heimischen Investoren bereits voll engagiert sind, kann ein weiterer Kursanstieg nur noch eintreten, wenn zusätzlich ausländisches Kapital angezapft werden kann. Wenn das der Fall ist, dann sollte man seine Anteile verkaufen und sich schleunigst von der Börse davon machen. Der Untergang wird dann nicht mehr lange auf sich warten lassen.

 

Auch ist es typisch, dass man in jedem Börsenboom hört „diese Mal ist es anders“. Es wir einem weisgemacht die alten Regeln gälten nicht mehr, die Umstände hätten sich derart geändert, dass die alten Weisheiten nichts mehr taugten, neue Technologien hätten die Märkte transparenter und effizienter gemacht und dergleichen. Das war bei allen großen Börsenblasen so gewesen: 1637 in Holland, 1719/20 in Frankreich und England, 1873 in Wien, 1929 und 1987 in New York und 2000/1 und 2008 weltweit.

 

Heute wie damals trägt der Staat den Verlust solcher gigantischer Zusammenbrüche. Darüber kann man sich empören, doch sollte man dabei nicht vergessen, dass es sich bei den Spekulanten im Wesentlichen nicht um Bösewichte oder Kriminelle handelt, sondern um ganz normale Menschen mit Schwächen, wie sie der menschlichen Natur ganz allgemein zueigen sind. Wenn wir ehrlich sind erkennen wir, dass bis auf wenige Ausnahmen fast alle Menschen wie sie gehandelt haben würden. Wenn wir in Zukunft klügere wirtschaftliche Entscheidungen, vor allem von den Führungskräften der Gesellschaft, erwarten wollen, dann dürfen wir uns nicht am Charakter einzelner orientieren, sondern müssen für ein System sorgen, das es dem Menschen schwerer macht Dummheiten zu begehen. Dumm zu handeln ist menschlich, solches können wir an sich nicht verhindern, was wir jedoch tun können ist an einem System zu arbeiten, dass den Einfluss des einzelnen auf ein vernünftiges Maß reduziert und den Schaden für das Gemeinwesen möglichst gering hält. Andernfalls wird auch in Zukunft vor allem die Allgemeinheit weiter für die enormen Schäden aufkommen müssen.

 

 

Euer Sokrates

 

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