Heute ist der erste Adventsonntag und selbst beim alten
Cincinnatus kehrt eine besinnlichere Stimmung ein, auch wenn er gerade an
diesem Wochenende wieder durch hektische Einkaufstraßen eilen musste, von viel
zu lautem Weihnachtssingsang beschallt wurde und einer ganzen Legion von
übergewichtigen, rauschebärtigen, in rote Gewänder gehüllten
Hohoho-Alkoholikern ausweichen musste.
Es ist über das Jahr hinweg bei dem einen oder anderen
Zeitgenossen, nicht nur bei den allzu zart besaiteten, der Eindruck entstanden
ich würde dem Pessimismus huldigen, alles immer nur schlechtreden bzw. –
schreiben und, wie mir in einem hitzigen verfassten, vor Emotionalität triefenden
Mail mitgeteilt wurde, wäre ich ein „von Wut zerfressener alter Sack, der sich
ständig über irgendetwas aufregen muss, um damit sich selbst über seine eigene
Misere und seinen Frust sich hinwegzutrösten“. Nun, lieber Schreiberling, die
Würze meiner Worte ist immer mit Humor zu verstehen und hat keinesfalls den Zweck
der Miesepeterei zu frönen. Wenn ich den Finger auf die wunden Punkt in der
Welt und in unsere Gesellschaft lege, dann tue ich das immer auch mit einem
gewissen Augenzwinkern und nicht zu unterschätzenden Freundlichkeit. Ich glaube
an den Menschen und an die Menschlichkeit, vor allem aber daran, dass der
Mensch sich ändern kann. Andernfalls wäre meine Kolumne hier völlige
Zeitverschwendung und wir würden uns besser dem unvermeidbaren Schicksal
ergeben und die Köpfe hängen lassen. Dies sei ferne!
Der Mensch ist nicht schlecht, auch der Mensch unserer Tage
nicht. Für die Laster und Sünden des Volkers tragen seine Führer die
Verantwortung, nicht die Menschen selbst. In der persönlichen Erfahrung sind
denn auch weitaus mehr angenehme soziale Zusammenkünfte zu verzeichnen, als die
unfeinen. Nur haben wir Menschen eine Natur, die so gestaltet ist, dass sie das
Unangenehme besonders feinfühlig wahrnimmt und aus dem Weg zu schaffen
trachtet, als dass sie sich der guten Dinge erfreut, die zweifelsohne – das
gebe auch ich freimütig zu – die Mehrzahl der Fälle im Leben ausmachen.
Arthur Schopenhauer sprach aus, wie man Menschen nehmen
sollte und wie am besten im beruflichen und privaten Leben mit ihnen zu
verfahren sei:
„Darum
also müssen wir, um unter Menschen leben zu können, jeden, mit seiner gegebenen
Individualität, wie immer sie auch ausgefallen sein mag, bestehen und gelten
lassen, und dürfen bloß darauf bedacht sein, sie so, wie ihre Art und
Beschaffenheit es zulässt, zu benutzen; aber weder auf ihre Änderung hoffen, noch
sie, so wie sie ist, schlechthin verdammen. Dies ist der wahre Sinn des
Spruchs: „Leben und leben lassen.“ Daher es ebenso töricht ist, über ihr Tun
sich zu entrüsten, wie über einen Stein, der uns in den Weg rollt. Bei manchen
ist es am klügsten zu denken: Ändern werde ich ihn nicht; also will ich ihn
benutzen.“
Die heutige junge Generation wird von vielen auch als
„Crunch-Generation“ bezeichnet. Damit ist gemeint, dass sämtliche Strömungen,
weltanschaulicher, philosophischer und religiöser Art auf die Gehirne der
Menschen einprasseln und sie damit irgendwie zurechtkommen müssen. Was dabei
herauskommen wird, ist ein großes soziales Experiment, das wir heute alle in
der westlichen Welt beobachten können. Wir befinden uns am letzten Ende der
„postmodernen“ Ära, der Ära in der alles für relativ erklärt wurde, in der jede
Autorität abgelehnt wurde, die das Zeitalter der „Desillusionierung“ und des
allgemeinen Misstrauens sich zu sein anschickte, die Widersprüche ausmerzen wollte,
die jedoch ihre eigenen Widersprüche nicht sah, nur die der anderen
(Relativismus ist ein Selbstwiderspruch und wer behauptet Autoritäten
abzulehnen ist mit damit selbst sehr autoritär).
Ich habe stets versucht ein Licht in der geistigen Verwirrung
unserer Zeit zu sein, jemand, der einen zur Wirklichkeit aufrüttelt, der
mitunter mit unsanften Methoden (und sei es auch einem Schlag auf den Kopf) die
aus den Fugen geratenen Hirne wieder funktionsfähig machen und das Denkvermögen
steigern wollte (leichte Schläge auf den Hinterkopf sollen dies, einem alten
Volksglauben nach, zu bewerkstelligen vermögen). In diesem Sinne wünsche ich
Euch allen noch einen schönen Advent und doch manche besinnliche Stunde, sofern
es sich irgendwie machen lässt.
Euer
L. Q. Cincinnatus
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