Der Mensch der heutigen Zeit findet sich in einer
pluralistischen Welt, die ihm oft mehr Last als Befreiung und Erfüllung ist.
Umso schwerer fällt es dem einzelnen für sich selbst ein rechtes Maß zu halten
und Prinzipien ausfindig zu machen, anhand derer er sein Leben ausrichten kann.
Gerade die Vielfalt der Möglichkeiten wird uns allen oft zum Unheil. Ich will
hier deshalb recht kurz einen Kodex darstellen, der zwar seit langem bekannt,
aber doch zu jeder Zeit anwendbar ist und es dem einzelnen ermöglicht, sowohl
ein vernünftiges, als auch ein sinnreiches und erfolgreiches Leben zu führen. Dabei
handelt es sich nicht um Regeln, die einem genau vorschreiben würden, wie man
handeln soll, sondern die Verantwortung des Menschen berücksichtigen,
selbständig zu denken, doch im Rahmen von fixen Prinzipien. Wovon ich spreche,
das ist der Code der Ritterlichkeit, der Moralkodex nachdem die abendländischen
Ritter ihr Leben lebten. Dieser Kodex ist auch in unserer Zeit das moralisch
Beste, was die Menschheit je hervorgebracht hat. In der Folge nun die
Prinzipien und jeweils ein kurzer Kommentar dazu.
Ich gehe hier nur auf die abendländische Ritterlichkeit ein, wenngleich es auch
gute Kodizes aus anderen Kulturkreisen gibt, insbesondere aus Japan, in Form
des Hagakure, des Yamamoto Tsunetomo.
1.) Maßhaltung
Ein guter, vernünftig handelnder Mensch hat erkannt, dass
das rechte Handeln darin besteht die Exzesse zu vermeiden. Die Bedürfnisse
müssen auf vernünftige und taugliche Weise befriedigt werden, ohne dabei sich
zu übernehmen. Dieses Gebot schließt den kurzsichtigen Hedonismus genauso wie
die Askese aus. Jedoch gibt es auch Werte, deren Mitte gerade in dem Übermaß
besteht, dazu gehört etwa die Liebe, insbesondere die Liebe zu Gott.
2.) Glaube
Das Gebot des Glaubens und der Liebe gehören untrennbar
zusammen. Ein Ritter ist ein gläubiger Mensch, niemals kann er ein Atheist oder
Agnostiker zu sein.
3.) Zucht
Darunter sind Anstand und Wohlerzogenheit zu verstehen. In
diesen Bereich gehört auch die Höflichkeit. Höflichkeit unterstützt die Ehre
und zwar auch dann, wenn die Person, mit der man es zu tun hat, selbst nicht
höflich ist. Es gibt in jedem Menschen einen Bereich, dem völlig klar ist, dass
Höflichkeit das an sich richtige Verhalten ist. Rüpelhaftigkeit mag versuchen
sich darüber hinweg zu helfen, doch kein Mann (und auch keine Frau) kann für
sich Ehre und auch Selbstwert beanspruchen, der nicht höflich gegenüber dem
Mitmenschen ist.
4.) Ehre
Ehre bedeutet Ansehen und Würde. Damit ist eine soziale
Eigenschaft gemeint. Niemand hat Ehre an sich, sondern es ist die Bezogenheit
auf den anderen, die einem Ehre verschafft. Ehre hat mit Prinzipientreue zu tun
und ist unabhängig von Wohlwollen, von der Zu- oder Abneigung der Mitmenschen.
Ehre erhält man dadurch, dass man etwas tut, das Achtung abverlangt, selbst von
den eigenen Feinden.
5.) Treue
Treue steht in engem Zusammenhang zum vorigen Punkt, der
Ehre. Treue heißt einem anderen beizustehen, mit ihm durch dick und dünn zu
gehen. Damit ist die Treue unter Freunden ebenso gemeint, wie gegenüber dem
Ehepartner. Ein treuer Mensch würde die Ehe niemals brechen, auch würde er
niemals aus Opportunitätsgründen die „Fronten“ wechseln, sprich den „König“ zu
verlasen.
6.) Hoher Mut
Ein edler Mensch ist kein Pessimist, er weiß, dass sein
Leben in einem größeren Zusammenhang steht und glaubt an das grundsätzlich Gute
in der Schöpfung. Der Ritter bekämpft das Böse, vertraut darauf aber auf die
Kraft, die ihm vom ultimativen Guten, Gott, zufließt, denn er weiß, dass er aus
sich heraus nichts ist, nur durch Gott ist der Ritter in der Lage Gutes und
Edles zu tun.
7.) Demut
Demut verhindert, dass ein Mensch den Bezug zur Realität
verliert, vor allem dann, wenn er siegt, wenn er Erfolg hat. Demut sorgt dafür,
dass der Ritter sich klar ist, dass Erfolg eine Gnade und kein Recht ist.
8.) Milde
Darunter ist zu verstehen, dass der edle Mensch ein sozialer
Mensch ist. Er kümmert sich um seine Mitmenschen, vor allem um jene, denen es
schlecht im Leben geht, und das ganze ohne sich mit den Mittellosen gemein zu
machen. Er bleibt edel im Geben, sowie er edel im Nehmen ist, ohne in
Anspruchsdenken zu verfallen.
9.) Würde / edler Stand
Adel im eigentlichen Sinne ist kein Geburtsrecht, sondern
eine Eigenschaft, die einem aufgrund des Verhaltens zueigen wird. Würdevoll
kann jeder Mensch sein, auch derjenige, der über keine Macht und keine materiellen
Ressourcen verfügt. Die Würde des Menschen kommt von seinem Sein, nicht von
seinem Haben.
10.)
Beständigkeit
Ein Ritter ist verlässlich, er führt zu Ende, was er
begonnen hat. Er sagt nicht etwas zu dem einen in einer Sache und eine andere
zu einem anderen in Bezug auf diese Sache. Man kann sich auf ihn verlassen und
er bleibt bei der Sache, zu der er sich verpflichtet hat.
11.)
Güte
Der edle Mensch hat einen harten Geist, aber ein weiches
Herz, er erbarmt sich seiner Mitmenschen, er tut das Gute und nicht das Böse.
12.)
Tapferkeit
Der Ritter ist mutig, er scheut den Konflikt nicht, im
Gegenteil, er sucht den Konflikt sogar, wenn dadurch das Gute erreicht werden
kann. Der Ritter wünscht den Frieden, aber er weiß, dass es oft der Krieg ist,
der den Frieden garantiert.
13.)
Fleiß
und Dienstbereitschaft
Trägheit ist eine der sieben Todsünden. Der edle Mensch ist
ein aktiver, ein tätiger, Mensch. Er weiß, dass es seine Aufgabe ist die Welt
zu einem besseren Ort zu machen. Er ist tatkräftig und scheut sich nicht
zuzupacken. Freizeit ist zwar nicht unerwünscht, aber die Tätigkeit liegt dem
Ritter näher als die Passivität.
14.)
Verstand
und Weisheit
Der Edle ist nicht nur ein vernunftbegabter Mensch, sondern
auch einer, der sich der Vernunft bedient. Insofern folgt er Kants Aufforderung
sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Doch er ist kein Aufklärer, nicht
weil er diese für schlecht hielte, sondern weil er erkennt, dass das
naturalistisch-rationalistische Weltbild die Wirklichkeit einschränkt. Der
Ritter kümmert sich um die Realität als Ganzes, wozu natürlich der Verstand
gehört, aber auch das Gefühl, die Intuition, als auch der Glaube. Weisheit und
Wahrheit, nicht das bloße Wissen, sind die Ideale des idealen Menschen.
15.)
Schönheit
Der edle Mensch ist ein Dichter und Künstler, er weiß, dass
die Entwicklungsachsen des Menschen dreifach sind: die Vernunft, die Liebe und
die Kreativität. Gerade die Kreativität ist ein Ausdruck des Göttlichen, das
durch den Menschen wirkt. Der Ritter ist ein Homo-Sapiens, als auch ein Homo
Faber, mit Sicherheit ist er kein Homo-Consumens und damit eine Anomalie in der
modernen Welt. Doch er bezieht sein Selbstverständnis, den Sinn seines Lebens,
nicht aus diesem Universum, sondern aus Gott. Und damit ist er seinen
Mitmenschen, die im rein Materiellen leben überlegen.
16.)
Reichtum
Reichtum bezieht sich weniger auf das Materielle, sondern
auf das Ideelle und vor allem das Spirituelle. Wer das Königreich in seinem
Inneren gefunden hat, der braucht sich um die Versorgung in der Welt nicht zu
sorgen.
Diese 16 Punkte sollen nicht einfach akzeptier werden,
sondern sollen durch den eigenen Verstand wandern und reflektiert werden. Man
muss sich selbst treu bleiben und nicht von anderen vorschreiben lassen, wie
man sein Leben leben soll. Doch eines darf man niemals vergessen: Wenn dieses Universum
alles ist, was es gibt, dann ist das Leben absurd, dann gibt es auch keinen
Grund zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, doch der Sinn des Lebens leitet
sich nur aus dem her, was diese Welt (das Universum) transzendiert. Doch die
eigentliche Frage ist jedoch jene danach, wer heute noch dazu in der Lage ist.
Wer ist noch so edel sein Leben in einen größeren (außerkosmischen)
Zusammenhang zu stellen? Das ist die Frage, die das Leben an den postmodernen
Menschen stellt. Wer kann sie richtig beantworten?
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