"Ein unnütz Leben ist ein früher Tod", meinte Goethe in seiner "Iphigenie auf Tauris". Wie recht der gute Mann doch hatte! Doch wo beginnt ein solch schändliches Leben, wo entspringt seine Quelle, deren stinkene Ausgeburt sich wie ein schwarzer Pechstrom durch das Leben des Verdorbenen windet? Ich will es euch kundtun, meine Freunde, denn allzu oft trift man derartige Zeitgenossen an, heute mehr denn zu jeder anderen Zeit in der Geschichte. Damit man sich vor ihnen hüte, damit das Virus sich nicht nach und nach auf euch Tugendhaften und Fleißigen überträgt und allmählich an euch zehrt. Unglückliche und Glücklose soll man meiden, heißt es, denn in ihrem Gejammere geht auch bald die Moral des guten Herzens dahin und alles wird von der harten Gravitation des Pessimismus nach unbarmherzig unten gezogen. Kein hoher Gedanke, kein leichtes Gemüt ist dann mehr möglich, nur noch bleierne Schwere, die zombihaft verwandelt, was einst blühend und prächtig gedeihend war. Gerade zu Ostern, das die brave Christenheit morgen zu feiern beliebt, soll auch für euch eine Auferstehung stattfinden - aus der Finsternis ans Licht! Vom Tod zum Leben! So ist es seit jeher des guten Mannes Art gewesen.
Das Denken ist es, meine Freunde oder das was gemeinhin als Denken bezeichnet wird, das den Ursprung, den geistigen Urknall des Kosmos, des Unnützen bildet! Doch weit gefehlt wenn einer meint es sei dies das Ergebnis mangelnder Bildung oder gar der Erfahrung. Die Welt quillt heutzutage über von all den Gebildeten und doch wird die Denkfähigkeit immer geringer - man schmückt sich mit Titel und Zeugnissen aller Art, doch ist man nicht in der Lage zwei und zwei zusammenzuzälen. Das Expertentum ist eine Abart des Unnützen. Der Experte liegt falscher, als der Zufall, denn er ist mit der Welt nicht verbunden. Seine Verbundenheit besteht nur im Geiste und bloß zu seinen eigenen Gedanken. Was im Charakterlichen der Narzissmus, ist im Land des Geistes das Expertentum. Wann hat den je ein Wirtschaftsweiser die Zukunft vorhergesehen, die dann auch eingetreten wäre? Menschen, die auf Kosten der Allgemeinheit das Spiel "Des Kaisers neue Kleider" spielen und dabei an den Fleischtöpfen sitzen, während dem Gemeinen nur das Hungerbrot bleibt, haben sich breitgemacht. "Zukunftsforschung" heißen sie es und sie sind doch nur Schalatane, Quacksalber, im besten Fall Komödianten. In der Antike gab es die Orakel, die weissagten und das menschliche Bedürfnis die Zukunft zu kennen befriedigten. Freilich hatte dies damals noch einen erhabenen Charakter: Opfer wurden feierlich erbracht, hypnotisierende Dämpfe schwängerten die Luft, Rituale zur Ergreifung der Seele veranstaltet; doch heute gibt es nur noch einen mageren Abklatsch des Brimboriums der Altvorderen - nicht einmal mehr als Lachnummern gehen sie durch die "Experten". Weit überlegen war das Orakel dem modernen Zukunftsforscher, sowohl im Inhaltlichen, als auch im Formellen. Dieses alles ist eine Art von Denken, das zu sparen sich die Gesellschaft leisten muss.
Doch noch eine weitere Art des unnützen Denkens nenne ich euch: Es gibt da Zeitgenossen, die gar mit schwerer Miene und Gehabe, das Bedeutsamkeit vorschützen will durch die Lande ziehen, man findet sie ihren Sermon haltend vornehmlich in den Mainstreammedien, und dabei die Menschheit belehren möchte über allerlei Bedrohliches, das mit Sicherheit auf uns hernierderfahren würde, wenn man nicht sein Leben ändere. Das Leben ändern, vor allem jenes der anderen, das ist das Anliegen dieser Propheten - Wölfe im Schafspelz, die nicht ein Quäntchen bei sich selbst sehen aber vermeinen die Welt wäre schlecht, das Volk dumm und einfältig und leicht verführbar. Es sind jene Gestalten, die den Span im Auge des nächsten sehen, doch nicht den Balken in ihrem eigenen. Wobei meist noch der Span des anderen im Gedanken des Propheten selbst seinen Ursprung hat. Man will heute oft nicht einmal mehr von "Bildung" sprechen, denn das, was man einstmals darunter verstand ist längst den Bach der Geschichte hinunter gegangen. So meinten die Alten noch Bildung sei jenes Vermögen die eigene Kultur durchdringend zu verstehen und in seinem eigenen Geist noch einmal die Gesamtheit des eigenen kulturellen Erbes abzubilden - jeder Gebildete war demnach eine "Kultur" im Kleinen. Doch davon kann heutzutage keine Rede mehr sein. Halb- und Nichtgebildete bevölkern heute massenhaft die Lande, die meisten davon mit Hochschulabschluss (mit irgendeinem billigen Studium, das nicht viel Anstrengung erfordert). Sie haben nie zu denken gelernt, sehen die Welt in den Bahnen, die ihnen subtil oder auch nicht eingebläut wurden. Je länger man im Schul- und Unterrichtsbereich verbringt, desto mehr wird der eigene Geist nach den Vorgaben des jeweiligen Bildungsinstitutes geformt - von der Welt versteht man bald immer weniger (was allerdings gewollt ist denn unter dem Programm "Bildung" läuft heute die Volksverdummung). Deshalb lautet ja auch ein bekannter Rat, dass wenn einer im Leben Erfolg haben möchte, er möglichst bald die Schule verlassen sollte. Wie wahr! Doch wie selten hört einer darauf.
Dann gibt es da die Art, die den einzelnen betrifft, und die nicht weniger beleidigend für die Vernunft ist, jedoch in ihrem Schaden meist begrenzt ist. Ich spreche von jenen, die aus Langeweile oder Vermeidung (Angst) denken, deren Leben derart schal ist, dass sie sich anstatt konkret um sich selbst und die ihren zu kümmern, sich auf die großen Probleme der Welt und der Menschheit konzentrieren. Alles andere soll geändert werden (man selbst hingegen nicht) und man weiß auch wie es geht. Alleine, die Menschen sind ja so einfältig, böse, dumm oder man hat sie eben einer Gehirnwäsche unterzogen. Erklärungen sind schnell zur Hand. Wenn es wirklich so etwas wie eine "Gehirnwäsche" gäbe, so wäre dies doch das Gegenteil dessen, was man landläufig darunter versteht, denn seit wann ist eine "Wäsche" etwas Schlechtes? Wird doch dadurch der Schmutz entfernt und klares Denken sollte sich wieder einstellen. Wie dem auch sei, dies ist nur ein Gedanken des alten Cincinnatus, denn unsere Sprache strotzt nur so von Ungereimtheiten und Widersprüchen. Denken, das unnütz, kreist um Dinge, die mit dem eigenen Leben nicht in Verbindung stehen. Zwar sind die Gefühle vieler "Aktivisten" echt, doch sie beziehen sich nur scheinbar auf die gegenwärtige Situation oder das eigene Denken. Vielmehr sind solche bloße Auslöser für Emotionen, die einen anderen, meist völlig unbekannten, Ursprung haben. Sentimentalität ist es, wovon ich spreche. Man sieht sie heute allerorten - gerade die Wütenden, die Unzufriedenen, die Polikanten, die Berufsdemonstranten, -kritiker und - aufklärer, das sind die Subjekte, deren Gefühle ein Ventil gefunden haben, doch mit dem vorgegebenen Anliegen in keinerlei Beziehung stehen. Was Spinoza bereits erkannte, bewahrheitet sich immer wieder: Nur eine affektive Einsicht is auch eine effektive Einsicht - das bloße verstandesmäßige Verstehen genügt niemals. Zuerst kommt immer das Notwendige im eigenen Leben, dann jenes der anderen und vielleicht irgendwann das Wohl der ganzen Welt. Eine Sache dürft ihr mir niemals vergessen, meine Freunde: So sehr es stimmt, dass vor dem Handeln das Denken kommen muss, so sehr ist es auch richtig, dass das Denken ohne die Möglichkeit zu handeln dumm macht! Jawohl, sich um Dinge zu kümmern, sich Gedanken zu machen in einem Bereich, in dem man nichts bewirken kann, weil es außerhalb der eigenen Möglichkeiten liegt, lässt den Geist verkümmern. Wer sich immer um das Wohl der Welt kümmert, dabei aber nicht aktiv auf Grundlage dieser Gedanken handeln kann, dessen Gedanken sind schal und oberflächlich. Seid mir nicht wie diese halten Gestalten, meine Brüder - denkt nur dort, wo ihr handeln könnt. Alles andere geht euch nichts an - es hat mit euch nichts zu tun und verdient deshalb nicht eure wertvolle Geisteskraft.
Das waren die Gedanken eines alten Knaben zu Ostern, dem Fest der Auferstehung unseres Heilands Jesus Christus. Möge euch allen ein Licht aufgehen und wer weiß, vielleicht wird der eine oder andere zu Pfingsten sogar mit dem Heiligen Geist beseelt.
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