Das menschliche Verhalten ist größtenteils dadurch motiviert, dass es
etwas zu erlangen gilt, was positiv ist, beziehungsweise durch das Abwenden von
etwas, das als unerwünscht aufgefasst wird. Es ist also kein Fehler zu behaupten,
dass der Mensch durch Motivationen zum Handeln gebracht wird. Manche gehen
sogar so weit zu behaupten, dass es überhaupt kein Handeln ohne Motivation
gäbe. Diese Ansicht schießt jedoch über das Ziel hinaus, denn es lässt sich
beim Menschen durchaus auch ein Verhalten beobachten, das ausschließlich
expressiv und nicht motiviert ist. Solches ist jedoch sehr selten zu sehen und
nur bei Menschen, die in einem sehr hohen Seinszustand leben, wie die
Selbstverwirklichenden Menschen (siehe Maslow), teilweise ist es aber auch
Dichter und Künstler bei ihrer Tätigkeit beobachtbar. Für den
Durchschnittsmenschen ist expressives Verhalten beinahe ein Mythos.
Der Mensch hat mit dem Tier einige Bedürfnisse gemeinsam, insbesondere
jene, die der Erhaltung des Lebens, sei es als Individuum und als gesamte Art,
dienen. Trotzdem ist dies alleine für den Menschen nicht befriedigend, denn es
sind die spezifisch menschlichen Bedürfnisse nach Bezogenheit, Transzendenz und
Identität, die für die seelische Gesundheit unabdingbar sind. Gerade durch die
Liebe und Hingabe an eine Sache spürt der Mensch einen Energieschub, sich einer
Quelle der Freude nahe, wie er durch das bloße Befriedigen von grundlegenden
Bedürfnissen nie zu erreichen wäre. Entsprechend ist der Mensch gerade durch
die Leidenschaft gekennzeichnet. Nun ist es aber so, dass diese starke
Entfesselung von Energie einerseits gesund, andererseits pathologisch sein
kann. Es ist kein Wunder, dass Menschen der Leidenschaft stets mit einer
gewissen Skepsis gegenüber standen, artet sie doch nur allzu oft in
Destruktivität aus. Es wäre aber völlig falsch, der Leidenschaft selbst die
Schuld daran zu geben, denn es ist nicht die Leidenschaft an sich, die
zerstört, sondern ihr Missbrauch.
Pathologische Leidenschaft
Als erstes wäre hier die Gier zu nennen und zwar nicht jene Gier, die
gestillt wird, indem ein Bedürfnis befriedigt wird, wie etwas das Verlangen
nach Nahrung bei einem Hungernden. Einmal ist der Magen voll und auch der
größte Schlemmer kann seinen Magen nicht mehr weiter füllen. Die pathologische
Gier ist jedoch eine nach immer mehr Ressourcen, da der Glaube vorherrscht,
nicht genug zu haben, an Mangel zu leiden. Diese Gier ist nicht stillbar. Am
deutlichsten sieht man das an der Gier nach Geld und Reichtum, davon kann man
potenziell nie genug bekommen. Der wahre Mangel liegt aber im Charakter des
Menschen und nicht im realen Mangel an einer Sache. Der gierige, narzisstische
Mensch liebt sich selbst nicht, weshalb er die Leere und Lieblosigkeit mit
Dinge (vor allem Geld, Macht etc.) zu füllen versucht (was natürlich niemals
gelingen kann).
Pathologisch ist auch der Wunsch alles kontrollieren zu können, quasi
Gott gleich zu sein, um nicht die Unsicherheit spüren zu müssen, die mit der
Erkenntnis der Machtlosigkeit verbunden ist. Es ist eine kindliche Unreife, die
dem Menschen vormacht, er sei mächtig, ja sogar allmächtig. In Wirklichkeit ist
der Mensch ja gerade durch Machtlosigkeit gekennzeichnet, niemand hat so etwas
wie Macht, weder das Individuum und auch die ganze Menschheit nicht. In
Anbetracht des riesigen Universums, hat niemand Macht. Aber gerade dies ist so
schwer zu begreifen. Die Wissenschaft kann hier nur bedingt helfen, Illusionen,
Religionen, Kulte und gesellschaftliche Zusammenschlüsse, sollten dem Menschen
seit jeher über seine Machtlosigkeit hinweg helfen. Freilich muss man dazu in
eine Illusion verfallen, mit offenen Augen ist dies nicht möglich. Typisches
Beispiel dafür ist die Anbetung von Götzen. Götzen entmenschlichen den Menschen
und lassen ihn seine eigene Lebensenergie auf etwas außerhalb von ihnen selbst
projizieren.
Gesunder Leidenschaft
Der Mensch ist durch die Vernunft gekennzeichnet, das heißt er ist
vernunftbegabt. Das heißt keineswegs, dass er vernünftig handelt und in einem
Großteil der Fäll tut er eben dies gerade nicht. Vernunft ist nicht der
Verstand, der Intellekt. Der Intellekt ist meist einfach nur ein
Rationalsierungsinstrument. Es dienst dazu etwas, das man möchte, rational
aussehen zu lassen, ohne, dass es so ist. Eine Sache ist nicht deshalb wahr,
weil man sie erklären kann. Erklärbarkeit und Wahrheit hängen nicht
notwendigerweise zusammen! Hier liegt auch der Unterschied zwischen Klugheit
und Schläue. Der Schlaue hat einen Verstand, der gut funktioniert und ihn
gewandt sein lässt im Umgang mit seinen Mitmenschen. Der Kluge jedoch besitzt
Weisheit, er hat eine tiefe Einsicht in die wahre Natur der Dinge gefunden.
Schlau sein kann auch ein Tier, klug hingegen kann nur der Mensch sein. Schläue
dient der Manipulation, Klugheit der Wahrheit. Die Wahrheit berührt den
Menschen direkt, da sie etwas Natürliches, ist, das kann die Lüge niemals, da
sie immer künstlich ist.
Die wahre Leidenschaft ist die Bejahung des Lebens und dadurch der
Liebe. Liebe ist ein aktiver, keine passiver Zustand, eine Hinwendung zu einer
Sache, ohne von dieser etwas zu erwarten, ein Wohlwollen um der Sache selbst
willen. Sie ist vor allem auf das Geben, nicht auf das Empfangen ausgerichtet. Lieben
heißt aber nicht, in dem anderen aufgehen. Ganz im Gegenteil. Bei der wahren
Liebe erfährt man sich als Individuum und ist doch gleichzeitig verbunden. Der
andere ist einem gleich, doch trotzdem ein Individuum. Es ist eine oft falsch
verstandene narzisstische Ansicht, die man heute nicht allzu selten antrifft,
dass behauptet wird, um zu lieben müsse man sich ausdehnen und die anderen
umfassen. In Wahrheit ist die ein Erdrücken, ein In-sich-Aufsaugen des anderen
und damit die Verneinung seiner Individualität. Das ist mit echter Liebe nicht
gemeint.
Liebe kann aber zum Götzendienst werden, wenn vom anderen erwartet wird
Antworten auf sein eigenes Leben zu erhalten oder dass der andere die eigenen
Probleme lösen würde. Wer nicht allein sein kann, der kann auch nicht wirklich
lieben. Wer des anderen bedarf, der kann ihn nicht lieben, sondern muss ihn zum
Götzen machen. Das kann entweder durch den Wunsch den anderen zu beherrschen
geschehen, oder dadurch, dass man passiv sich dem anderen unterwirft. Wenn der
Mensch jedoch einen Menschen anbetet, dann entmenschlicht er sich und en
anderen, dann wird er selbst zum Tier. Beides sind keine wahren Arten von Liebe
sondern Götzendienst, Entmenschlichung und ein fundamentaler Verstoß gegen die
natürliche Gleichheit aller Menschen.