Sonntag, 30. November 2014

Eine besinnliche Stunde


Heute ist der erste Adventsonntag und selbst beim alten Cincinnatus kehrt eine besinnlichere Stimmung ein, auch wenn er gerade an diesem Wochenende wieder durch hektische Einkaufstraßen eilen musste, von viel zu lautem Weihnachtssingsang beschallt wurde und einer ganzen Legion von übergewichtigen, rauschebärtigen, in rote Gewänder gehüllten Hohoho-Alkoholikern ausweichen musste.

 

Es ist über das Jahr hinweg bei dem einen oder anderen Zeitgenossen, nicht nur bei den allzu zart besaiteten, der Eindruck entstanden ich würde dem Pessimismus huldigen, alles immer nur schlechtreden bzw. – schreiben und, wie mir in einem hitzigen verfassten, vor Emotionalität triefenden Mail mitgeteilt wurde, wäre ich ein „von Wut zerfressener alter Sack, der sich ständig über irgendetwas aufregen muss, um damit sich selbst über seine eigene Misere und seinen Frust sich hinwegzutrösten“. Nun, lieber Schreiberling, die Würze meiner Worte ist immer mit Humor zu verstehen und hat keinesfalls den Zweck der Miesepeterei zu frönen. Wenn ich den Finger auf die wunden Punkt in der Welt und in unsere Gesellschaft lege, dann tue ich das immer auch mit einem gewissen Augenzwinkern und nicht zu unterschätzenden Freundlichkeit. Ich glaube an den Menschen und an die Menschlichkeit, vor allem aber daran, dass der Mensch sich ändern kann. Andernfalls wäre meine Kolumne hier völlige Zeitverschwendung und wir würden uns besser dem unvermeidbaren Schicksal ergeben und die Köpfe hängen lassen. Dies sei ferne!

 

Der Mensch ist nicht schlecht, auch der Mensch unserer Tage nicht. Für die Laster und Sünden des Volkers tragen seine Führer die Verantwortung, nicht die Menschen selbst. In der persönlichen Erfahrung sind denn auch weitaus mehr angenehme soziale Zusammenkünfte zu verzeichnen, als die unfeinen. Nur haben wir Menschen eine Natur, die so gestaltet ist, dass sie das Unangenehme besonders feinfühlig wahrnimmt und aus dem Weg zu schaffen trachtet, als dass sie sich der guten Dinge erfreut, die zweifelsohne – das gebe auch ich freimütig zu – die Mehrzahl der Fälle im Leben ausmachen.

 

Arthur Schopenhauer sprach aus, wie man Menschen nehmen sollte und wie am besten im beruflichen und privaten Leben mit ihnen zu verfahren sei:

„Darum also müssen wir, um unter Menschen leben zu können, jeden, mit seiner gegebenen Individualität, wie immer sie auch ausgefallen sein mag, bestehen und gelten lassen, und dürfen bloß darauf bedacht sein, sie so, wie ihre Art und Beschaffenheit es zulässt, zu benutzen; aber weder auf ihre Änderung hoffen, noch sie, so wie sie ist, schlechthin verdammen. Dies ist der wahre Sinn des Spruchs: „Leben und leben lassen.“ Daher es ebenso töricht ist, über ihr Tun sich zu entrüsten, wie über einen Stein, der uns in den Weg rollt. Bei manchen ist es am klügsten zu denken: Ändern werde ich ihn nicht; also will ich ihn benutzen.“

 

Die heutige junge Generation wird von vielen auch als „Crunch-Generation“ bezeichnet. Damit ist gemeint, dass sämtliche Strömungen, weltanschaulicher, philosophischer und religiöser Art auf die Gehirne der Menschen einprasseln und sie damit irgendwie zurechtkommen müssen. Was dabei herauskommen wird, ist ein großes soziales Experiment, das wir heute alle in der westlichen Welt beobachten können. Wir befinden uns am letzten Ende der „postmodernen“ Ära, der Ära in der alles für relativ erklärt wurde, in der jede Autorität abgelehnt wurde, die das Zeitalter der „Desillusionierung“ und des allgemeinen Misstrauens sich zu sein anschickte, die Widersprüche ausmerzen wollte, die jedoch ihre eigenen Widersprüche nicht sah, nur die der anderen (Relativismus ist ein Selbstwiderspruch und wer behauptet Autoritäten abzulehnen ist mit damit selbst sehr autoritär).

                                                                                      

Ich habe stets versucht ein Licht in der geistigen Verwirrung unserer Zeit zu sein, jemand, der einen zur Wirklichkeit aufrüttelt, der mitunter mit unsanften Methoden (und sei es auch einem Schlag auf den Kopf) die aus den Fugen geratenen Hirne wieder funktionsfähig machen und das Denkvermögen steigern wollte (leichte Schläge auf den Hinterkopf sollen dies, einem alten Volksglauben nach, zu bewerkstelligen vermögen). In diesem Sinne wünsche ich Euch allen noch einen schönen Advent und doch manche besinnliche Stunde, sofern es sich irgendwie machen lässt.

 

 

Euer L. Q. Cincinnatus

 

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