Montag, 18. April 2016

Paul Gauguin oder wie man der Zivilisation entflieht



(Paul Gauguin 1891)

 

Wenn man sich mit der Südsee beschäftigt, so kommt man nicht umhin jenen Franzosen zu erwähnen, der für seine farbenfrohen Bilder, eine polynesische Idylle darstellend, Weltruhm erlangte. Damit hat er seinen Beitrag zum Mythos Südsee geleistet, der bereits im 18. Jahrhundert mit den entsprechenden euphorischen Berichten (etwa eines Bougainville) begonnen hatten. Ähnlich wie bei Vincent van Gogh kämpfte er zeitlebens mit Geldproblemen – heute hingegen wäre er Multimillionär und seine Werke gehören zu den begehrtesten am Kunstmarkt überhaupt, die immer wieder neue Höchstpreise erzielen. Die Rede ist von Paul Gaugin.

 

Geboren wurde Eugène Henri Paul Gauguin am 7. Juni im Revolutionsjahr 1848 in Paris. Schon die Kindheit war turbulent. Der Vater, ein liberaler Journalist, kam bald mit dem Establishment in Konflikt und musste Frankreich verlassen. Bereits mit einem Jahr floh Paul Gauguin mit seiner Familie zur mütterlichen Verwandtschaft, die in Peru lebte und dort einflussreich war. Erneut auf der Flucht vor einem, 1853 in Peru ausgebrochenen, Bürgerkrieg floh die Familie, dieses Mal zurück in die Heimat des Vaters, nach Frankreich. Paul pendelt in der Kindheit oft zwischen Paris, wo seine Mutter als Schneiderin arbeitet und Orléans, wo er eine Internatsschule besucht. Dieses unstete Dasein sollte für sein ganzes Leben prägend werden, fast immer wollte er wo anders sein, als er gerade war. Mit 17 besuchte er die Marineschule und wurde Seemann, zuerst bei der Handels-, dann bei der Kriegsmarine. Mit 23 Jahren beendete er seine Seefahrerkarriere und versuchte sesshaft zu werden.


(Frauen am Strand)

 

Paul wird Börsenmakler und kann sich bald ein gutbürgerliches Leben mit all seinen Annehmlichkeiten leisten, heiratet 1873 und hat mit seiner dänischen Frau Mette-Sophie insgesamt fünf Kinder. In dieser Zeit entdeckt er seine Leidenschaft für die Malerei, beginnt selbst zu malen und stellt auch bereits, in bescheidenem Rahmen, seine Werke aus – er macht die Bekanntschaft einiger der großen Impressionisten (u.a. Degas und Manet), die Kunststars der damaligen Zeit. Seine Liebe zur Malerei wird immer stärker, noch jedoch hält er an seinem bürgerlichen Beruf fest. Als 1882 die Pariser Börse zusammenbrach, verlor Gauguin seine Anstellung und beschloss sich voll und ganz der Malerei hinzugeben. Es war dies ein gewaltiger finanzieller Einbruch, dazu gab es heftigen Widerstand seiner Ehefrau gegen diese Pläne. Allerdings setzte sich Gauguin gegen alle Einwände durch. Es folgte ein Umzug der Familie in die Normandie. Mette Sophie zog jedoch bald, ihren Ehemann verlassend, mit den Kindern zu ihrer Familie nach Dänemark. Das Wanderleben zog Gauguin bald in die Bretagne, in die Karibik und für kurze Zeit nach Arles, wo er eine kurze Freundschaft mit van Gogh pflegte, die jedoch tragisch endete (van Gogh soll sich nach einem Streit mit Gauguin sein Ohr abgeschnitten haben).

 

Obwohl ein Kind der Großstadt, hatte alles Ländliche und vor allem die natürliche Idylle immer schon eine große Anziehungskraft auf Gauguin ausgeübt. Nachdem er bereits einige Zeit mit dem Gedanken gespielt hatte, beschloss er Ende der 1880er Jahre nach Französisch Polynesien zu gehen, wo er hoffte sein „Paradies“, fern der Zivilisation, zu finden. Er mietete sich auf Tahiti eine Hütte, pflegte ein Verhältnis mit einem jungen einheimischen Mädchen und malte bald viele Bilder mit Südseeszenen. Dabei orientierte er sich jedoch kaum an der Realität, sondern an seinen eigenen Wunschvorstellungen von der Südsee. Die Realität sah hingegen weitaus trister aus. Die Zivilisation, vor allem die Religion und die Bürokratie, hatten viel von der ursprünglichen Lebensfreude und –bejahung der Polynesier zerstört. Soziale Probleme wie in Europa waren an der Tagesordnung, viele Einheimische schienen ihre „Seele“ verloren zu haben, wie man es bei den Indianern Nordamerikas ausgedrückt hätte.


(Nafea faa ipoipo)

 

1893 war Gauguin wieder zurück in Paris, Geldsorgen und eine schlechter werdende Gesundheit plagten ihn ständig. Bei den Kunstkritikern fanden seine Werke gefallen, nicht jedoch beim breiten Publikum. Durch eine Erbschaft 1894 konnte er sich ein Atelier leisten und zog wieder mit einer jungen Exotin zusammen (der unschuldige, fremde, weibliche Archetyp – die „Eva“ nach Carl G. Jung - hatte ihn zeitlebens stark beherrscht). Noch im selben Jahr, nach weiteren Fehlschlägen, beschloss er endgültig die zivilisierte Welt hinter sich zu lassen und in die Südsee zu ziehen.

 

Wieder auf Tahiti, zog er erneut mit einem jungen Mädchen zusammen, dass ihm zwei Kinder geboren haben soll. Ständig in Geldnöten und bei schlechter Gesundheit (und einem Selbstmordversuch) hielt er es allmählich auch nicht mehr auf Tahiti aus und siedelte auf die abgelegenen Marquesas-Inseln über, die sich noch mehr von der Ursprünglichkeit des alten Polynesiens bewahrt hatten. Auch dort lebte er wieder mit einer 14-jährigen Inselschönheit zusammen, die ihm eine Tochter gebar. Bald legte er sich mit der Obrigkeit und der Kirche an, die die Kultur der Einheimischen bedrohten. Nachdem sein kranker letztlich Körper nicht mehr konnte, hauchte Paul Gauguin am 8. Mai 1903 in Hiva Oa (Marquesas-Inseln) seinen Geist aus.


(Te Arii Vahine)

 

Gauguin gilt als einer der Väter der „Moderne“, der zur Inspiration für viele große Maler im 20. Jahrhundert wurde (u.a. Henri Matisse). Er steht am Übergang von den Impressionisten zu den Expressionisten. Seine Themen waren die Natur- und Ursprünglichkeit, in der die Suche nach dem „verlorenen Paradies“ zum Ausdruck kommt. Neben unzähligen Bildern fertigte Gauguin auch Keramiken und Holzschnitzereien an. Viele seiner Werke sind heute einem breiten Publikum, weit über die Kunstkreise hinaus, bekannt.

 

 

Euer Sokrates