Montag, 30. Dezember 2013

Die Angst in der Unternehmenswelt

Eine der häufigsten Ängste der heutigen Zeit ist jene, die man in der Welt der Wirtschaft antrifft. Es gehört zwar zum schlechten Stil am Arbeitsplatz von Angst zu sprechen, nichtsdestotrotz ist sie gerade dort allgegenwärtig. Gesteht man Arbeitern und Angestellten meist noch ein gewisses Maß an Angst zu, so ist sie im Management absolut verpönt. Dort hat man sich entschieden diese geschickt zu tarnen, indem man einen anderen Namen gewählt hat, der anders als Angst sogar einen positiven Aspekt aufweisen soll. Hat man als Manager viel davon, gilt man als bedeutsam, ja es ist sogar ein Muss, will man als Führungskraft angesehen werden. Diese Sache nennt sich Stress! Stress ist aber nichts anderes als Angst, es hört sich lediglich besser an.

Die Mutter aller Ängste des Menschen ist jene vor dem Tod, die Vergänglichkeit schreckt uns bei den Dingen in der Welt, mehr noch in Anbetracht des Todes eines geliebten Menschen, am meisten jedoch in Berücksichtigung des eigenen Todes. Um das Leben in vollem Maße leben zu können, muss diese grundlegende Frage geklärt werden. Wie der Mensch zum Tod steht, sieht man an der Art wie er sein Leben lebt. Wer sich vor dem Tod fürchtete, tut dies auch vor dem Leben. Wer die Verantwortung für den eigenen Tod ablehnt, lehnt auch jene für das Leben ab. Aber vergessen wir nicht, was ich in meinem Eintrag vom 17. Juli geschrieben habe. Wir haben das Leben gewählt und damit uns auch für den Tod entschieden. Im Kern sind Leben und Tod nämlich eins, sie sind wie zwei Seiten einer Medaille, wobei keine besser ist als die andere. Es ist Unsinn das Leben als höher oder besser anzusehen als der Tod, genauso ist es auch vice versa.
Doch was hat die Angst vor dem Tod mit der Angst in der Wirtschaft zu tun? Alles! Wenn die Grundangst einmal abgelegt ist, verschwinden alle anderen Ängste ebenso, da sie ohnehin nichts anderes als Ableitungen der Urangst sind. Beispiele sind Angst vor Arbeitslosigkeit, Armut, Krankheit, Unglücksfällen, Einsamkeit oder gesellschaftlicher Blamage. Wie erreicht man denn all das? Die Samurai legten ihre Angst vor dem Tod ab, indem sie jeden Morgen beim Aufstehen akzeptierten am selben Tag noch zu sterben. Der Tod hatte dann nichts Schreckliches mehr an sich. Der Worst-Case wurde bereits vorweg genommen. Für einen Manager ist das Äquivalent des Todes, entlassen zu werden. Steht ein Manager jeden Morgen auf, stellt sich vor an diesem Tag seinen Job zu verlieren und akzeptiert diesen möglichen Umstand vollständig, dann hat er eine ganz andere Einstellung und handelt ganz anders. Bei völliger Akzeptanz dieses Falles kann es niemals Stress geben, es gibt nie eine Trennung zwischen Handeln und Sein. Und zudem, das ist der wirtschaftliche Hauptgrund: Ein solcher Manager kann bessere Leistungen erbringen, als jener, der Angst vor seinem Job respektive dessen Verlust hat, denn eine derartige Führungskraft ist frei dafür das Richtige tun, und braucht sich nicht korrumpieren zu lassen. Unter Korruption in diesem Sinne verstehe ich es, wenn jemand durch Vorteile irgendwelcher Art gelockt und durch drohende Nachteile von einer Sache abgebracht werden kann. Nachdem es in einer angstlosen Situation kein Ego mehr gibt, gibt es nichts, was das rechte Handeln verhindern könnte. Der Manager wird nichts tun, was falsch ist in Bezug auf seine Arbeit, er wird nicht persönlich opportun handeln, negative Konsequenzen für sich scheuen ihn nicht, Belohnungen locken ihn nicht, sein Handeln orientiert sich nur daran, was richtig ist.
Auf welche Prinzipien ein solches richtiges Handeln beruhen kann, schreibe ich in einem späteren Eintrag. Ich werde dort einen Kodex für das rechte Handeln vorstellen. Nur soviel: Recht kann nur sein, was es sub species aeternitatis ist, keinesfalls was im Augenblick opportun, aber langfristig schädlich ist! Gerade solche Prinzipien kann die Wirtschaft heute mehr denn je brauchen. Das Entscheidende ist das eigenständige Denken und Handeln, die Fähigkeit wirkliche Entscheidungen zu treffen und nicht das zu tun, was man schon immer, zuweilen gewohnheitsmäßig, getan hat. Das Leben ist viel zu dynamisch, als dass es sinnvoll wäre, konkrete, allzu starre, Regeln aufzustellen. Deshalb kann ein Kode für rechtes Handeln sowohl im Beruflichen, als auch im Privaten nicht aus konkreten Anweisungen, sondern nur aus Prinzipien bestehen. Die Notwendigkeit selbständig zu denken und Entscheidungen zu treffen, bleibt dann aufrechterhalten.

Das richtige Handeln hat einen sehr gewinnbringenden langfristigen Effekt. Er führt nämlich nicht nur dazu, dass man im Leben keine Angst mehr hat, sondern sogar zur Furchtlosigkeit. Mut ist eine Sache und gar nicht so selten. Millionen Menschen handeln jeden Tag, obwohl sie Angst haben. Für einen Samurai und auch für eine Führungskraft ist dies jedoch nicht genug. Wollen diese wirklich topp sein, dürfen Sie keine Angst mehr, vor irgendeiner Sache, haben, mehr noch, sie dürfen sich keine Sorgen mehr um irgendeine Sache machen. Und das ist Furchtlosigkeit, immer und überall.

Das Problem, um das zu erreichen ist eindeutig der Verstand, das Denken des Menschen. So schwer es für die meisten einzusehen, ist, der Mensch kontrolliert nicht seine Gedanken. Wir denken ständig Dinge, die uns nicht gefallen, das Gehirn tut es aber trotzdem. Niemand will Sorgen habe, aber der Verstand produziert solche Gedanken einfach. Wir werden in gewisser Weise von unserem eigenen Verstand vergewaltigt. Nur wenn wir Abstand davon nehmen, und erkennen, dass wir selbst gar nicht der Verstand sind, dass die Gedanken nicht wir sind, sondern, dass wir in Wahrheit davon losgelöst sind (das wahre Selbst), dann können wird zur Ruhe kommen. Der italienische Philosoph und Psychologe Giulio Giacobbe hat dazu ein wunderbares Buch geschrieben: „Wie Sie die Hirnwichserei abstellen und statt dessen das Leben genießen“.

Im Hagakure, dem Klassiker über den Weg des Samurai von Yamamoto Tsunetomo, heißt es vor die Wahl zwischen Leben und Tod gestellt, soll man ohne zu zögern den Tod wählen. Es ist völlig klar, dass es sich dabei um ein Ideal handelt, das nicht einfach zu erreichen ist, aber es ist möglich und das Entscheidende ist es, dass so paradox dies klingen mag, die Qualität des Lebens dadurch steigt. Es geht keineswegs um eine Todesverliebtheit, die Samurai liebten das Leben und genossen es, sahen es nur nicht getrennt vom Tod. Manche, vor allem von Zen-Buddhisten beeinflussten Samurai, einige unter ihnen waren sogar Zen-Meister, kamen so weit die Dichotomien ganz aufzulösen. Sollte uns dies gelingen, spielt selbst der Kodex keine Rolle mehr, denn rechtes Handeln wird dann von selbst getan, ohne zu wissen, dass es sich dabei um rechtes Handeln handelt. Bis zu diesem Zeitpunkt jedoch, leistet ein Kodex sehr gute Dienste.
 
 
Ihr Dr. Mannheimer
 
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen